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Handelsverband Journal RETAIL 4/2018

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Handelsverband Journal RETAIL 4/2018

— auslage Prozent

— auslage Prozent teurer werden, aber sie haben dennoch weiterhin enorme Kostenvorteile.“ Dazu komme, dass die Chinesen erst jetzt dazulernen würden, sich „europäischer“ zu verhalten. Damit meint Füll die wachsende Anzahl an chinesischen Shopping-Portalen im Internet, die sich des hierzulande gewohnten Look-and- Feels bemächtigen. Über 40 Prozent der Händler auf amazon.de sind bereits aus China. Das einzig wirksame Mittel, um als heimischer Händler dem Druck standzuhalten, ist seiner Meinung nach folgendes: „Wirklich bestehen kann nur, wer mit Mehrwert oder regionaler Besonderheit etwas anbieten kann, das die Chinesen nicht kopieren können.“ Zumindest haben die österreichischen Händler noch etwas Zeit, sich dem digitalen Wandel anzupassen, denn der stationäre Handel ist nach wie vor dominant und geht hierzulande merkbar langsamer in Richtung Einkauf im Web als anderswo. „Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis auch wir eine massive Verschiebung Richtung Onlineund Mobile-Shopping erleben. Allein zwischen 2006 und 2016 ist die Zahl der heimischen Geschäfte um 10.000 gesunken“, sagt Rainer Will. Auch er hat ein Rezept, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen: „Die Antwort liegt in der Digitalisierung der Fläche. Dafür braucht es Investitionen – in Strukturen, Prozesse, IT-Systeme, in die Datenqualität und vor allem in gute Mitarbeiter.“ Diese Investitionen machen aber erst dann Sinn, wenn alle Wettbewerbsvorteile der Chinesen aufgehoben sind. Und das wird noch dauern – wenn auch hoffentlich keine weiteren 144 Jahre. ▪ Josef Puschitz Preis niedrig, Qualität oft auch 300 Millionen Kunden der Shopping-Plattform Wish.com lassen sich mit billigen Produkten aus China beliefern. Verbraucherschützer warnen, dennoch ist die Plattform extrem beliebt. Wer soll da schon widerstehen? Eine Smartwatch für unter 20 Euro, ein neuer Bikini für fünf oder ein Bluetooth-Earphone für gerade mal einen Euro. Die Preise auf der Shopping-Plattform Wish. com klingen wie aus einem paradiesischen Traum von Schnäppchen-Jägern. Das Online-Portal bietet von Mode bis Elektronik so ziemlich alles an, was das Shopping-Herz begehrt. Laut Angaben des Unternehmens nutzen 300 Millionen Kundinnen und Kunden die Bestell-App. Eine dieser Kundinnen ist Brigitte Kirchwöger. Die Pensionistin aus Oberösterreich hat über eine Bekannte von Wish.com erfahren. „Als sie mir gezeigt hat, was ihre neuen Kleider kosten, war ich baff“, sagt Kirchwöger. Sie befand die Qualität als tadellos und war somit bereit, es einmal selbst auszuprobieren. Seit dieser ersten Erfahrung ist die Pensionistin eifrige Kundin – aber nur für Produkte, die sie nicht notwendigerweise braucht. „Ich bestelle quer durch den Gemüsegarten. Pflasterl, Öle, Schmuck. Da ist auch sehr viel Ramsch dabei, was mich aber nicht stört, denn die Preise sind einfach unvergleichbar“, sagt Kirchwöger. Dass nicht alles die gewünschte Qualität aufweist, ist sie mittlerweile gewohnt. Dafür schätzt sie den unkomplizierten Bestellvorgang: Anmeldung übers Facebook-Profil, Zahlung auf Rechnung. Dass die App dabei persönliche Daten absaugt, stört die Shopperin nicht: „Auf Facebook habe ich sowieso nur Fake-Daten eingegeben.“ Doch Verbraucherschützer warnen, dass Wish.com auch auf die Kontakte und die Kamera des Telefons zugreift. Andere Qualitätsstandards Das ist aber nicht der einzige Vorwurf von Konsumentenschützern. Ein Testkauf des Computermagazins c’t im September deckte auf, dass Elektronikartikel wie Speichermedien auf Wish.com häufig defekt oder gefälscht sind. Europäische Standards werden oft nicht eingehalten, was etwa bei der Brandsicherheit von Elektroartikeln oder bei Gesundheitsvorschriften für Hygieneartikel böse Folgen haben kann. So fanden etwa dänische Tester in der Hautcreme einer international bekannten Marke einen bedenklichen Konservierungsstoff, der in der EU mittlerweile verboten ist, in China aber nicht. Wie viele andere Kunden kümmert die schwankende Qualität Brigitte Kirchwöger nicht besonders: „Mir macht es nichts aus, dass die Produkte teilweise nicht funktionieren oder überhaupt Schrott sind. Es tut nicht weh, weil alles so billig ist.“ Auch sie hat sich schon mit Lieferzeiten von vier bis sechs Wochen herumschlagen müssen, nimmt das aber in Kauf. Rund 50 Euro machen ihre Bestellungen im Durchschnitt aus. Das Porto kann sich summieren, weil jedes Produkt einzeln verschickt wird. Verbraucherorganisationen warnen zudem vor möglichen Zollgebühren. Zudem kämen teure Mahnschreiben manchmal schon vor der Bestellung an, Rücksendungen sind aufwendig und teuer. Vermittler, nicht Händler Der Grund dafür ist einfach: Wish.com ist kein Händler im klassischen Sinn, sondern vermittelt kleine Hersteller und Handelsunternehmen mit einem riesigen Potenzial an Kunden. Eine Bestellung kann also Produkte aus allen Ecken Asiens enthalten. Wish.com selbst ist aber ein amerikanisches Unternehmen, das von ehemaligen Google- und Yahoo- Programmierern gegründet wurde. Auf Facebook soll Wish.com der größte Werbetreibende überhaupt sein, mit einem Volumen von über 500 Millionen Dollar jährlich. 8 — Dezember 2018

— storys Alle Kräfte bündeln Interview. Von A wie Abgabensenkungen bis Z wie Zollkontrollen reichen die Ideen von Wirtschafts kammerpräsident Harald Mahrer, um den Standort Österreich zu stärken. Foto: BMDW/Marek Knopp retail: Der Handel ist mit rund 600.000 Beschäftigten eine zentrale Stütze der heimischen Volkswirtschaft. Welche Pläne haben Sie für die Branche? Dr. Harald Mahrer: Um kleine und mittlere Unternehmen zu unterstüt - zen, die besonders unter Druck sind, haben wir mit KMU DIGITAL ein umfassendes Digital-Coaching für Betriebe geschaffen. Neben weiteren Schritten für bürokratische Entlastung und eine Modernisierung des Arbeitsrechts ist es wichtig, Wettbewerbsgleichheit zwischen dem Handel in Österreich und dessen Mitbewerbern im Ausland herzustellen. Dazu sind Änderungen im Steuer- und Abgabenrecht dringend notwendig. Zudem muss der Vollzug bestehender Bestimmungen effizienter werden, etwa durch konsequentere Kontrollen im Bereich des Zolls und der Umsatzsteuer. Zur Sicherung von Fachkräften brauchen wir dringend ein gezieltes Maßnahmenpaket, das von entsprechenden Bildungsimpulsen über Lösungen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bis hin zu qualifizierter Zuwanderung reicht. Wie wird die Zusammenarbeit mit dem Handelsverband in den nächsten Jahren aussehen? Zur Standortstärkung der Handelsunternehmen ist es sinnvoll, alle Kräfte zu bündeln, um gegenüber allen Stakeholdern Flagge zu zeigen. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Interessen des heimischen Handels – der unter enormem Einfluss der globalisierten Wirtschaft steht – in den Fokus zu stellen. Wie stehen Sie zu einer Senkung der Steuerbelastung für heimische Händler? Österreich hat die fünfhöchste Steuerund Abgabenquote innerhalb der EU. Eine Senkung der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer ist daher notwendig. Auch die viel zu hohen Lohnnebenkosten senken die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. Als zweitgrößter Arbeitgeber ist der österreichische Handel davon besonders stark betroffen. Was können wir tun, um auch strukturschwache ländliche Regionen stärker am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben zu lassen? Im Zeitalter einer digitalisierten Wirtschaft ist eine hochleistungsfähige Breitbandanbindung eine unverzichtbare Voraussetzung für Beschäftigung und Wertschöpfung. Mit der neuen Mobilfunk-Generation 5G wird es gelingen, bis ins letzte Tal Hochleistungs-Breitbandanschluss für Unternehmen und Haushalte zu ermöglichen. Die Bundesregierung hat Einsparungen bei den Kammern gefordert. Was ist auf diesem Gebiet bei der WKO geplant? Wir werden bereits ab 1. Jänner 2019 unsere Mitglieder um rund 100 Millionen Euro an Mitgliedsbeiträgen entlasten und bauen zugleich unser Serviceangebot aus. Das hilft nicht nur unseren Betrieben, sondern auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kundinnen und Kunden. Es ist gut für ganz Österreich! Sie haben angekündigt, die Sozialpartnerschaft zur Zukunftspartnerschaft machen zu wollen. Wie soll diese konkret aussehen? Wir müssen wieder mehr an sachlichen Lösungsvorschlägen für die drängenden Zukunftsfragen wie Bildung, Digitalisierung oder auch Pflege arbeiten. Gerade die Auseinandersetzungen um die Arbeitszeit-Flexibilisierung und die Polemik der Arbeitnehmerseite waren hier alles andere als konstruktiv. Sie sind sehr aktiv im Bereich der Unterstützung von Unternehmensgründern und Startups. Kann Österreich zur Gründernation Nummer eins in Europa gemacht werden? Das muss unser Ziel sein. Wer einen starken Standort will, muss bestmögliche Rahmenbedingungen für Jungunternehmer und Gründer schaffen. Dass wir auf einem guten Weg sind, beweist auch die Statistik: Noch nie zuvor haben so viele Menschen in Österreich den Weg in die Selbständigkeit gewagt wie in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. Mit ein Grund für dieses großartige Ergebnis ist die professionelle Unterstützung des Gründerservice der Wirtschaftskammern an über 90 Standorten in ganz Österreich. Dezember 2018 — 9

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