AKTUELL » Wir alle wollen weniger Plastikmüll. Mit dem Drei-Punkte- Plan gegen die Plastik flut gehen wir das jetzt an. Mehrwegquote, Pfandsystem und Herstellerabgabe: Das sind die Maßnahmen, die wir brauchen. « Leonore Gewessler Umweltministerin Recycling. Die EU gibt vor, dass bis 2025 mindestens die Hälfte der Kunststoffverpackungen wiederverwertet werden muss. Bis 2030 steigt dieser Anteil auf 55 Prozent. kann man seine Kunststoffverpackungen an zwei Millionen Stellen entsorgen. Künftig könnten wir beispielsweise den Joghurtbecher weiterhin bequem zu Hause sammeln, die Getränkeflasche müsste zu den Öffnungszeiten zurück in den Lebensmittelhandel.“ Scharff spricht sich auch für eine bessere Sortierung des Gewerbeabfalls aus – dort gingen derzeit 50.000 Tonnen Kunststoffabfälle jährlich verloren. Allerdings könnte diese Methode an der EU-Rechtskonformität scheitern. Scharff fordert auch eine österreichweit einheitliche Kunststoffsammlung. Denn während Bundesländer wie das Burgenland oder Tirol bereits eine Kunststoff flaschen- Sammelquote von über 90 Prozent erreicht haben, hinken andere wie Wien mit nur 34 Prozent hinterher. BEDROHUNG FÜR DEN HANDEL? Abgesehen von dem höheren Aufwand, der die Kunden durch ein Einweg-Pfandsystem erwarte, sieht der Handelsverband weitere negative Aspekte: So entstünden den Einzelhändlern hohe Kosten, die vor allem für Kleinunternehmer existenzbedrohend sein könnten. Insgesamt geht die Wirtschaft von 60 Pfandsysteme BLICK INS AUSLAND Eine zentrale Abwicklung des Pfands erleichtert die Finanzierung. In einigen Staaten gibt es bereits Pfandsysteme. Laut Global 2000 werden in Skandinavien und dem Baltikum Geld und Pfand-Produkte zentral verwaltet, der Lebensmittelhandel bekommt eine Manipulationsgebühr. Finanziert wird das System durch den Pfandschlupf (also die Mittel, die durch nicht retournierte Gebinde frei werden). In Deutschland ist das System dezentral, dort kann jeder Händler das Material behalten und weiterverarbeiten oder verkaufen, was für kleinere Händler aber problematisch ist. Bei der ARA heißt es dazu, dass ein Einwegpfand nur in Ländern mit ursprünglich niedrigen Sammelquoten Sinn macht. In Österreich, wo die Sammelquote schon recht hoch ist, sei ein Ausbau des bisherigen Systems besser. Millionen Euro Mehrkosten aus, die dem Handel jährlich durch ein Pfandsystem entstehen. Dazu kommen hohe Anschaffungskosten für Leergutautomaten sowie – in kleineren Geschäften – schlicht ein Platzproblem. Aus dem Umweltministerium heißt es dazu, dass die meisten Automaten nur umgerüstet werden müssten. Die Finanzierung könne über eine „Handling Fee“, also eine Art Bearbeitungsgebühr für den Handel, geleistet werden. In Sachen Mehrwegquote erinnert die Umweltministerin an die 1990er-Jahre: Damals habe es in Österreich bereits solche Quoten gegeben – und Mehrweganteile von fast 90 Prozent. Für SPAR ist das kein Argument: „Man will mit Instrumenten aus den 1990er-Jahren Probleme des Jahres 2020 lösen. Das funktioniert so nicht“, heißt es dort. Für das Unternehmen würde die verpflichtende Mehrwegquote Maluszahlungen von über 100 Millionen Euro bedeuten – „und das, obwohl wir die geforderte Mehrwegquote schon fast erreichen und keine Möglichkeit haben, die Konsumenten zu zwingen“. Wohin also mit der Flasche? Vorerst in die gelbe Tonne. Fortsetzung folgt. Foto / Parlamentsdirektion | Photo Simonis, PET to PET | Andi Bruckner 28 / Q4/2020
IM KERN STEHT UNSERE UMWELT Die Kreislaufwirtschaft geht uns alle an, denn Zwangspfand allein wird die Littering-Problematik nicht lösen. Der Plan der Wirtschaft zeigt zehn Wege zum Ziel. 7. BESSER VERWERTEN – VERWERTUNGSPFADE ÖFFNEN Vorschriften – wie etwa für Lebensmittelverpackungen – verhindern, erschweren oder verbieten sogar Recycling. Sie müssen recyclingfreundlicher gestaltet werden und dem Stand der Technik entsprechen. Ein umfassendes Konzept für Betriebe, Haushalte und Außer-Haus-Konsum kann vermeiden, dass Wertstoffe als Müll entsorgt werden. Kundinnen und Kunden zu zeigen, wie sie sich in jeder Konsumsituation umweltgerecht verhalten können, ist das Gebot der Stunde. Durch diesen Zehn-Punkte-Plan können wir es gemeinsam schaffen, Umweltziele zu erreichen und gleichzeitig Kosten zu sparen. 1. EINHEITLICHE SAMMELSTRUKTUR FÜR GANZ ÖSTERREICH Die bundesweite Angleichung beim Sammeln von Wertstoffen ermöglicht einen großen Schritt zur Erreichung der EU-Recyclingquote von 50 Prozent bzw. 55 Prozent für Kunststoffverpackungen und der 90-Prozent-Sammelquote für Getränkeflaschen. » Wir sind gegen die Einführung des Einweg- Pfandsystems und setzen uns für eine freiwillige Ausweitung von Mehrweg ein. « Andreas Haider UNIMARKT-Geschäftsführer 2. VOM BRING- ZUM HOLSYSTEM Für Haushalte soll direkt am Wohnort der gelbe Sack oder eine gelbe Tonne zur Verfügung stehen, die vom Sammelsystem abgeholt bzw. entleert wird. Das bedeutet größtmöglichen Sammelkomfort und ist der effizienteste Weg zu einer höheren Sammelquote. 3. ÖFFENTLICHE GEBÄUDE BESSER ERFASSEN Schulen, Spitäler, Unis und Amtsgebäude mit Wertstoffsammelbehältern ausstatten. Die Wertstoffe müssen auch beim Einsammeln getrennt werden. » Die Anschaffungskosten eines Leergutautomaten liegen zwischen 25.000 und 50.000 Euro. Die kleinen Händler haben schlichtweg keinen Platz für einen Automaten, da oft das ganze Lager nur 50 m² hat. « Wolfgang Benischko Nah&Frisch-Kaufmann 4. FREIZEITKONSUM BESSER ERFASSEN Spielplätze, Rad- und Wanderwege und Partymeilen mit Sammelbehältern für Wertstoffe ausstatten. 5. GEWERBEABFALL BESSER ERFASSEN Das Angebot für die Sammlung von verwertbaren Verpackungen in Betrieben muss attraktiver werden. Die Beratung der Betriebe und Bewusstseinsbildung bei Mitarbeitern soll gefördert werden. 6. BEI SIEDLUNGS- UND GEWERBE- MÜLL WERTSTOFFE AUSSORTIEREN Soweit für die Quotenerreichung notwendig oder für die Kreislaufwirtschaft zielführend, werden noch Wertstoffe aus dem Rest- und Gewerbemüll aussortiert. 8 . PROBLEM LITTERING AN DER WURZEL PACKEN Littering, die Vermüllung von öffentlichem Raum und Natur, stört – mit egal welchem Müll – und ist zu stoppen. Ein Bewusstseinswandel muss eingeleitet werden, frei nach dem Motto: Halte den öffentlichen Raum so sauber wie den eigenen Garten. 9. ÖKOLOGISCHES VERPACKUNGS- DESIGN WEITEROPTIMIEREN Verpackungen werden ständig optimiert, werden leichter und für die Produktion neuer Verpackungen wiederverwendet. Dieser Prozess muss fortgeführt werden. » Ja, wir wollen nachhaltiger wirtschaften, für zukünftige Generationen. Um den besten Weg dafür zu wählen, ist die Einbeziehung aller Beteiligten weitsichtig und zweckmäßig. « Manuel Hofer TOP-TEAM Geschäftsführer und TRANSGOURMET-Geschäftsleiter 10. SMARTE SAMMELBEHÄLTER ALS TÜPFELCHEN AUF DEM I Die Rückgabe von Wertstoffen kann zusätzlich durch Bonuspunkte gefördert werden, die beim Einwerfen in den Sammelbehälter auf das Handy gebucht und im Handel oder bei Handyfirmen in monetäre Gutschriften umgewandelt werden. Dazu sind smarte Sammelbehälter notwendig. / Q4/2020 29
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