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RETAIL 03/2020

Zeitschrift RETAIL Ausgabe 3/2020 vom österreichischen Handelsverband

ZUKUNFT WIE OMNICHANNEL

ZUKUNFT WIE OMNICHANNEL DAS NEUE MARKTGEFÜGE PRÄGT Die Situation der vergangenen Monate führte zu einer Transformation von Handelsunternehmen. Omnichannel-Strategien spielen dabei eine wichtige Rolle. Dies geht auch aus dem Omnichannel Readiness Index des Handelsverbands in Zusammenarbeit mit MindTake Research, Google Österreich und g-Xperts hervor. Text / Rainer Brunnauer Die an sich unerfreuliche Ausnahmesituation durch die Covid-19-Pandemie hat der Transformation von Handelsunternehmen neuen Schwung verliehen. Digitale Vertriebskanäle halfen Händlern während der strengen Beschränkungen des öffentlichen Lebens, Umsatzausfälle im stationären Handel etwas abzufedern. Die richtige Mischung aus Angeboten auf digitalen Kanälen und in stationären Geschäften steht nun – im Vorfeld einer möglichen zweiten Infektionswelle in der kühlen Jahreszeit – im Fokus strategischer Überlegungen. Ausnahmesituation. Die Anpassung von Geschäftsmodellen, wie etwa die stärkere Onlinepräsenz der Retailer, zeichnete sich kurz nach dem Lockdown in einer vom Handelsverband in Auftrag gegebenen Studie ab. WIE BEDEUTEND IST OMNICHANNEL NOCH? Das deutsche EHI Retail Institute untersucht seit 2015 jährlich die Entwicklung des Omnichannel-Sektors im gesamten deutschsprachigen Raum. In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der Omnichannel-Händler beinahe verdoppelt. Doch 2019 schwächte sich diese Entwicklung auffällig ab. Die Studie „Omnichannel Commerce 2019“ des EHI zeigte nur noch leichte Zuwächse bei den Omnichannel- Angeboten. „Wir wollten herausfinden, warum die Handelsunternehmen plötzlich langsamer verzahnte Angebote umsetzen. Ist die Umsetzung der Services zu komplex oder sind diese für weitere Händler uninteressant? Ist Omnichannel überhaupt noch Thema?“, so Nina Langer, Projektleiterin des Forschungsbereichs E-Commerce. Den Fragen widmet sich auch die Untersuchung „Connected Retail 2020“, die das EHI Mitte Juni veröffentlicht hat. Dafür wurden 38 Handelsunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert. In Interviews wurden Branchenentscheider zum Status quo, den Trends im E-Commerce-, Omnichannel- und Plattform geschäft befragt. ARGUMENTE FÜR OMNICHANNEL-ANGEBOTE Omnichannel-Lösungen gelten weiterhin als „Musthaves“ und sind bei Kunden nach wie vor stark gefragt, so das Ergebnis der Studie. Bereits vor dem Lockdown spielten allerdings zwei voll- kommen andere Faktoren eine entscheidende Rolle. Einerseits ist das die Reduzierung der Flächen und ein dadurch begrenztes stationäres Sortiment. Dies äußert sich etwa in einer weiteren Differenzierung stationärer Konzepte als „Touchpoints“ mit an den Standort angepassten Angeboten wie auch in Informations- oder Serviceleistungen. Andererseits hilft die Kombination von Online- und Offlinekanälen, die Forderung der Kundinnen und Kunden nach mehr Nachhaltigkeit zu erfüllen. Besonders beliebt sind etwa Click & Collect, In-Store-Return oder In- Store-Order, die helfen können, Heimzustellungen und damit Kosten sowie Umweltbelastungen zu reduzieren. HEMMNISSE FÜR DIE UMSETZUNG Nina Langer kommt, auf die Studie gestützt, zu dem Schluss, dass die langsamere Implementierung von Omnichannel-Maßnahmen nicht an rückläufigem Interesse liegt: „Vielmehr geben die Unternehmen an, die Umsetzung sei zeit- und ressourcenintensiv. Im Hintergrund wird daran jedoch gearbeitet, um dies in operativer Exzellenz an den Kunden auszu- Fotos / 123rf 26 / Q3/2020

spielen“, erklärt sie. Demnach bedarf die reibungslose Funktion auch vermeintlich einfacherer Services wie unterschiedlicher Bezahlmöglichkeiten und Online-Verfügbarkeitsabfragen für bestimmte Niederlassungen oft eines gut abgestimmten Systems. Herausforderungen wurden hier im Change- Management oder in der IT gesehen. Das Zusammenspiel von ERP-Systemen, Zahlungsdienstanbietern und Kommunikationskanälen muss, so die Befragten, gewährleistet sein, bevor die gewünschten Services angeboten werden können. STANDORTBESTIMMUNG FÜR OMNICHANNEL-HÄNDLER Hierzulande hat sich der diesjährige Omnichannel Readiness Index (ORI 3.0) auch eingehend mit der Kundenperspektive beschäftigt. Die Studie des Handelsverbands in Zusammenarbeit Nachhaltig. Click & Collect, In-Store- Return oder In-Store- Order sind beliebt, da sie Heimzustellungen reduzieren und in weiterer Folge die Umwelt schonen. Der Omnichannel Readiness Index kann kostenfrei auf www.handelsverband.at bezogen werden. mit MindTake Research, Google und g-Xperts ermöglicht anhand einer Checkliste der gefragtesten Kriterien eine Positionsbestimmung. Wer feststellen will, wie weit das eigene Geschäftsmodell den Wünschen potenzieller Kunden entspricht und wie sich Mitbewerber positioniert haben, dem bietet der ORI 3.0 wertvolle Möglichkeiten. In der Studie, die heuer zum ersten Mal im Sinne von Open Data vollständig frei zur Verfügung gestellt wird, wurden neben Handelsunternehmen auch Kunden in unterschiedlichsten Sparten nach ihren Wünschen, Erwartungen und Gewohnheiten befragt. So kann ermittelt werden, welche Kundenwünsche man künftig kanalübergreifend besser erfüllen könnte. Dass nicht alle davon aufwändig umzusetzen sind, zeigt das Beispiel Google Maps: „Drei von vier Kunden, die auf dem Smartphone eine lokale Suche tätigen, gehen in der Folge innerhalb von 24 Stunden auch in eine Filiale. Diese Zahl zeigt eindrucksvoll, wie wichtig die Verzahnung von online und offline heute ist“, sagt Judith Dobretzberger von Google Österreich. NEUE DIMENSION SOLL OMNICHANNEL ERWEITERN Unterdessen hat eine weitere Erkenntnis des EHI Retail Institute dazu geführt, dass das Institut seine Theorie hinsichtlich der Handelskanäle und ihrer Verschränkung angepasst hat. „Der Kunde soll in Zukunft aktiv den Kaufprozess mitbestimmen. Ich will als Kunde entscheiden, wo ich die Ware abhole und zurückgebe – ob im Store oder am Abholpunkt“, sagt Nina Langer vom EHI. Dies unterstreiche die Bedeutung von Omnichannel-Maßnahmen noch und wird im EHI Retail Institute nun als Connected Retail beschrieben. Um herauszufinden, welche Trends und Trendsetter sich im neuen digitalen Marktgefüge abzeichnen, arbeiten Nina Langer und ihre Kollegen an einer Ergänzung der kürzlich vorgelegten Studie, die Anfang November erscheinen soll. Wie deutlich sich darin die Hinweise auf gesteigerte Transformation österreichischer Handelsunternehmen bestätigen und wie stark Covid-19 international als Booster von Omnichannel wirkt, wird sich zeigen. / Q3/2020 27

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