Aufrufe
vor 3 Jahren

RETAIL 02/2020

  • Text
  • Ecommerce
  • Retail
  • Handelsverband
  • Wien
  • Austria
  • Krise
  • Podcast
  • Zeit
  • Konsumenten
  • Produkte
  • Mobile
  • Handel
  • Unternehmen
Zeitschrift RETAIL Ausgabe 2/2020 vom österreichischen Handelsverband

AKTUELL EINE EIGENE,

AKTUELL EINE EIGENE, HEISSE WELT Cybercrime entwickelt sich mit zunehmender Digitalisierung beständig weiter und trifft immer mehr Klein- und Mittelbetriebe. Die Experten Claus P. Kahn, Thorsten Behrens und Patricia Grubmiller sprechen im Interview über beliebte Maschen von Onlinebetrügern, Fehler, die man als Händler nicht machen sollte, und E-Commerce-Gütesiegel. Retail: Was sind derzeit die beliebtesten Maschen der Onlinebetrüger? Behrens: Auch jetzt sind die „klassischen“ Betrugsmaschen die häufigsten: Per Phishing wird versucht, Zugangsdaten zu erschleichen, über CEO-Betrug hohe Zahlungen an die Betrüger veranlasst und mit Spam-Mails wird Schadsoftware eingeschleust. Grubmiller: Zurzeit nehmen wir einen Anstieg von „kopierten“ Onlineshops wahr. Bekannte Shops werden eins-zu-eins kopiert und nur die Domain-Endung des Fakeshops weicht von der echten Adresse ab. Durch präsente Werbung auf Social Media Plattformen wird bei den oftmals jungen Konsumenten verstärkt der Eindruck erweckt, es handelt sich um den echten Shop. Wie funktioniert Identitätsdiebstahl und wie kann man sich davor schützen? Kahn: Ich bevorzuge den Begriff Identitätsmissbrauch, da die Identität nicht gestohlen wird, sondern trotz fremder Nutzung weiter behalten wird. Generell werden Namen und andere Daten der Opfer, die der Täter aus öffentlichen Quellen erfährt oder erfindet, für Betrügereien benutzt. Schutz ist hier schwer möglich. Wichtig ist, dass man auf die Sicherheit seiner Daten schaut, besonders bei der Registrierung auf unbekannten Seiten. Wer sind die Angreifer und woher kommen die Attacken? Kahn: Als Onlinehändler weiß man nie, wer angreift. Registriert sich ein Kunde » Die Professionalisierung der Täter wird zunehmen. Damit besteht für Unternehmer die Notwendigkeit, spezialisierte Dienstleistungen zur Absicherung ihres Onlineshops einzusetzen. « Claus P. Kahn zum ersten Mal, erkennt man nicht, ob dies ein regulärer Kunde ist, ein Einzeltäter, der aus Jux und Tollerei einen Betrug ausprobiert, oder eine Gruppe organisierter Täter. Behrens: In den meisten Fällen sind die Betrüger international organisiert. „Dienstleistungen“ wie Programmierung oder Geldfluss werden über das Dark Web zusammengekauft. Die Kriminellen kennen sich untereinander meist nicht. Wer an der Spitze steht, ist unbekannt. Wo passieren die größten Fehler? Was gilt es zu beachten? Kahn: Ich denke, es gibt Stellschrauben, die man richtig justieren sollte, insbesondere die fachgerechte Programmierung und die technische Ausgestaltung des Webshops. Es sollte auch eine Bonitäts- oder Identitätsprüfung der Kunden mitgedacht werden. Über Zahlungsmodalitäten und die Auswahl des Zustelldienstes kann man die Sicherheit und somit einen möglichen Ausfall steuern. Gibt es Best Practices, an denen sich die Händler orientieren können? Behrens: Wer jetzt einfach schnell online verkaufen möchte, sollte seine Produkte über einen Marktplatz, zum Beispiel shöpping.at, anbieten. Es gibt auch kleinere, günstige Marktplätze, die aus den Regionen in ganz Österreich verkaufen. Bei einkaufen-wolfsberg.at zum Beispiel zahlen Händler keine Grundgebühr. Kosten entstehen nur, wenn etwas verkauft wird. Auf Marktplätzen kann man schnell starten und wertvolle Erfahrungen sammeln. Fotos / BMI, Watchlist Internet/Frederica Summereder, Andreas Jakwerth 16 / Q2/2020

Was können Händler gegen Einkäufe in Fakeshops tun? Kahn: Fakeshops darf man sich nicht wie normale Geschäfte vorstellen. Die Täter halten sich nicht an gesetzliche Vorgaben, versuchen ihre Identität zu verschleiern und möglichst viele Personen zu erreichen. Wird das bekannt, verschwindet der Shop vom Netz und taucht entweder nicht mehr oder verändert, unter anderen Domains, wieder auf. Angeboten werden Güter, die gerade stark nachgefragt werden. Waren dies bis vor kurzem die neueste Technik, Handtaschen oder Kleidung, so sind es derzeit Atemmasken und Desinfektionsmittel. Was bringen E-Commerce-Gütesiegel für Händler bzw. Konsumenten? Grubmiller: Durch E-Commerce- Gütesiegel wie das Trustmark Austria (www.trustmark-austria.at) können Konsumenten auf einen Blick erkennen, ob es sich beim Anbieter um einen seriösen Shop handelt oder nicht. Zusätzlich sollte immer durch einen Klick auf das angezeigte Gütesiegel überprüft werden, ob das Siegel auch tatsächlich gültig ist, da Betrüger gerne auch einfach Siegel unbefugterweise kopieren. Der große Vorteil für Händler ist die Absatzförderung durch das gesteigerte Kundenvertrauen. Eine aktuelle Studie des Handelsverbands gemeinsam mit Mind-Take Research hat ergeben, dass für zwei Drittel der Österreicher ein E-Commerce-Gütesiegel beim Onlineshopping wichtig ist. Was sollen Händler tun, wenn sie Opfer einer Cyberattacke oder eines Betrugs wurden? Behrens: Anzeige bei der Polizei erstatten und Experten hinzuziehen, die den Schaden so gering wie möglich halten. ZU DEN PERSONEN Claus P. Kahn leitet im Bundeskriminalamt die Abteilung Betrug, Fälschung und Wirtschaftskriminalität. Thorsten Behrens ist Projektleiter am Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und auf den Bereich Cybersecurity und Internetbetrug spezialisiert. Patricia Grubmiller ist Legal Managerin beim Handelsverband und Leiterin des Trustmark Austria Gütesiegels. » Durch E-Commerce- Gütesiegel wie das Trustmark Austria können Konsumenten auf einen Blick erkennen, ob es sich beim Anbieter um einen seriösen Shop handelt oder nicht. « Patricia Grubmiller Wie können Kunden Fakeshops am besten erkennen? Grubmiller: Wenn Impressum, AGB oder die Datenschutzrichtlinie fehlen oder diese mit vielen Schreibfehlern versehen sind, ist jedenfalls Vorsicht geboten. Im Zweifelsfall sollten Konsumenten immer eine kurze Internetrecherche nach dem Namen des Onlineshops machen. Damit können negative Erfahrungen von anderen Kunden leicht ausfindig gemacht werden. Bedenken haben sollten Kunden auch, wenn der Händler nur eine Zahlung per Vorkasse oder anonyme Zahlungsmethoden anbietet. Welche Maßnahmen zur Prävention werden gegen Cyberkriminalität getroffen? Kahn: Als Kriminalpolizei versuchen wir präventiv Onlinehändler aufzuklären. Wir nehmen an Konferenzen und Veranstaltungen teil, halten Vorträge und führen Gespräche. Und wir haben das „Gemeinsam sicher“-Projekt in Kooperation mit dem Handelsverband gegründet. Dabei unterstützen wir auch die Zusammenarbeit privater Unternehmen miteinander. Denn wir haben gelernt: Ein Schadensfall, der nicht eintritt, ist ein Opfer weniger in Österreich. Wie wird sich die Cyberkriminalität weiterentwickeln? Kahn: Sie wird weiter steigen, neben der zunehmenden Digitalisierung werden auch die Auswirkungen der Covid-19-Krise spürbar sein. Die Professionalisierung der Täter wird zunehmen. Damit besteht für Unternehmer die Notwendigkeit, spezialisierte Dienstleistungen zur Absicherung ihres Onlineshops einzusetzen. Dies bedeutet mehr Kosten, aber auch eine Sicherung der Einnahmen. Behrens: Die Fallen werden weiterhin professioneller. Die Händler sollten sich damit beschäftigen und sich mit professioneller Unterstützung schützen. Dazu gehört der technische Schutz der Infrastruktur sowie die Fortbildung der Mitarbeiter. Aber auch eine Plausibilitätseinschätzung von Kundendaten kann vor Schaden bewahren. / Q2/2020 17

LOGISTIK express informiert

https://logistik-express.com

© Copyright 2023 | LOGISTIK express | MJR MEDIA WORLD