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LOGISTIK express Fachzeitschrift | 2018 Journal 3

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LOGISTIK express 3/2018 | S6 Deutschland - bald nur noch Möchtegern-Weltmeister? Was für ein verpatzter WM-Start: Nach der blamablen Vorstellung gegen Österreich in der WM-Vorbereitung hat das Turnier für Deutschland mit einer krachenden Niederlage gegen Mexiko begonnen. Fraglich, ob die Form ausreicht, um Russland in wenigen Wochen erneut als Fußballweltmeister zu verlassen. Ähnlich steht Deutschland zurzeit übrigens auch mit seinem Titel Handelsweltmeister unter Druck. Es droht Gegenwind – aus unterschiedlichen Richtungen. REDAKTION: KARIN WALTER KARIN WALTER Endlich Fußball-WM! Plätze, Bars und Biergärten haben sich in den vergangenen Tagen in riesige Fanmeilen verwandelt. Überall - ob in Kaufhäusern oder Einkaufszentren, in Büros oder an den Seitenspiegeln vieler Autos - wehen jetzt wieder die schwarz-rot-goldenen Deutschland-Fahnen. Die Fußball-WM zieht ganz Deutschland in den Bann - auch wenn sich die Begeisterung bei den Deutschen allgemein in Grenzen hält, weil das Turnier ausgerechnet in Russland stattfindet. Viele hätten sich die WM lieber nicht unter der Schirmherrschaft des russischen Staatspräsidenten Vladimir Putin gewünscht. Das hängt vor allem mit der Krim-Annexion und den kriegerischen Handlungen in der Ostukraine zusammen. Aber Schwamm drüber. Lassen wir uns die gute Stimmung weder vom illegalen Einsatz nordkoreanischer Arbeiter beim Bau der WM-Arenen, noch von der fehlenden Pressefreiheit oder der russischen Staatsdoping- Affäre nehmen. Kanzlerin Merkel tut das auch. Sie gibt sich neuerdings ganz aufgeschlossen, im Verlauf des Turniers eventuell doch in der Ehrenloge einer WM-Arena neben Vladimir Putin Platz zu nehmen. Vor einiger Zeit fand die Kanzlerin in dieser Frage noch deutlich negativere Worte. Aber in der aktuellen Situation, in der Deutschland auf der politischen Weltbühne immer mehr Gegenwind verspürt, kommt die Fußball-WM für Angela Merkel vielleicht gerade zur richtigen Zeit. Zum einen, um gut Wetter zu machen und gemeinsam mit Russland nach Lösungen zu suchen, zum anderen, um die seit längerem bestehenden Handelsstreitigkeiten zu begraben. Die hohen Handelsüberschüsse in der Kritik Auslöser für den weltweiten Wirbel ist an erster Stelle US Präsident Donald Trump, der seinem Wahlkampf-Slogan „America first“ seit einigen Wochen auch konkrete Taten in Form von Strafzöllen folgen lässt. Der amerikanische Präsident nimmt mit seinen höchst umstrittenen Maßnahmen nicht nur bewusst den Bruch des bestehenden Bündnisses der sieben mächtigsten Wirtschaftsnationen in Kauf - er scheut sich genauso wenig davor, entgegen dem Willen seiner Bündnispartner ein baldiges Ende der Russland-Sanktionen einzufordern. Zum Leidwesen der Deutschen findet Trump auch gegen die hohen Handelsüberschüsse unseres Landes sowie die aus seiner Sicht deutlich zu geringen Verteidigungsausgaben der Bundesregierung immer deftigere Worte. Donald Trumps Handelszölle sind für Deutschland aber längst nicht das einzige Problem - selbst wenn es im nächsten Schritt die umsatzstarke deutsche Automobilindustrie treffen könnte. Auch innerhalb der EU verschärfen sich die rauen Töne zwischen den Staaten. Nach dem Brexit-Votum der Briten und der zunehmend antieuropäischen Stimmung in Polen und Ungarn kippt aktuell besonders der neue italienische Regierungschef Guiseppe Conte mit seiner jüngst auf dem kanadischen G7-Gipfel zur Schau gestellten Harmonie mit dem US-Präsidenten sowie dem angekündigten harten Kurs in der Migrationspolitik eine Menge Sand in das europäische Getriebe. Es stehen turbulente Zeiten an: Der über Jahrzehnte mühsam aufgebaute und gerade in der heutigen Zeit so dringend gebrauchte Zusammenhalt innerhalb der Europäischen

Union - er droht - durch die nationalistischen Tendenzen in einigen Mitgliedsstaaten - brüchig wie ein überalterter Knochen zu werden. Deutschlands Führungsrolle bröckelt Das eigentlich verzwickte an der Situation ist, dass Deutschland die Führungsrolle zur Lösung der offenen Fragen rund um die Migrationsund Handelspolitik immer mehr entgleitet. Die Stimmung im eigenen Land kippt zunehmend nach rechts. In der Frage der Handelsüberschüsse verweigert sich Angela Merkel beharrlich, auch nur ein geringes deutsches Verschulden einzuräumen. Wenn man ehrlich ist, wäre sie in der jetzigen Situation allerdings gut damit beraten. Unser Überschuss entzieht anderen Ländern sowohl Kaufkraft als auch Arbeitsplätze - und er resultiert längst nicht nur aus der Qualität unserer Exportgüter, sondern in erheblichem Ausmaß auch aus unserem jahrelangen praktizierten Lohn- und Investitionszurückhaltung. Während Schulen teilweise zu Ruinen verkommen, kaum ein Stück des deutschen Militärinventars überhaupt noch gebrauchsfähig ist, die Renten immer weiter sinken und die Asphaltbeläge auf Straßen und Brücken großflächig zu bröckeln beginnen, brüstet sich Deutschland besonders vor seinen europäischen Partnern noch immer mit seiner eisernen Spardisziplin. Die Investitionslücke, die Deutschland den nachfolgenden Generationen damit hinterlässt, beläuft sich Experten zufolge auf jährlich 100 Milliarden Euro. Geld, das man an den Schulen und Universitäten, in der Forschung und Technologieentwicklung sowie im Umfeld der digitalen Infrastruktur händeringend gebrauchen könnte. Wenn in Deutschland endlich die Bereitschaft wachsen würde, an den richtigen Stellschrauben für eine nachhaltig erfolgreiche Entwicklung des Wirtschaftsstandortes zu drehen, wäre dies nicht nur ein Akt der Vernunft, sondern mit Sicherheit auch ein wichtiger Beitrag zur Deeskalation der aktuellen weltpolitischen Lage. (WAL)

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