LOGISTIK express 3/2018 | S40 Zahlreiche kleinere und mittlere europäische Unternehmen mit Exporten nach Großbritannien (und umgekehrt) haben bisher nur Handel innerhalb der EU betrieben. Nach dem Brexit müssten sie sich erstmalig mit Zollverfahren und Handelsregeln auseinandersetzten, Zollkompetenz aufbauen und in Zollsoftware investieren. Außerdem müssten sie mit erheblichen Mehrkosten durch Verzollungen (Zolltarif, Bearbeitungsgebühr) rechnen, die bei ihnen oder dem Importeur anfallen, die Gesamtkosten für ihre Produkte in die Höhe treiben und deren Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Verschiedene betriebliche Abläufe müssten neu geregelt werden. In der Praxis könnte auch ein Zollagent, zum Beispiel eine Spedition, die Ausfuhranmeldung vornehmen, nachdem das Unternehmen alle notwendigen Daten übermittelt hat. Handel mit Waren gebunden sein, um Grenzkontrollen zu vermeiden. Die „Backstop“ genannte Lösung würde allerdings nur dann in Kraft treten, wenn sich Großbritannien und die EU nicht auf eine bessere Lösung einigen können. Nach Auffassung des EU-Verhandlungsführers Michel Barnier greift die „Backstop“-Regelung die „verfassungsmäßige und institutionelle Ordnung des Vereinigten Königreichs in keiner Weise an“. Weiter erklärte er: „Wir tragen damit nur der Tatsache Rechnung, dass es eine einheitliche Rechtsprechung geben muss.“ Viele Zoll-Neulinge Ein weiteres Problem entsteht natürlich auch durch die neu anfallenden Zollabfertigungskosten in den Häfen nach dem Brexit, vor allem beim volumenreichen Roll-on Roll-off Verkehr zwischen den Niederlanden/Belgien/Frankreich und „Great Britain“. Erst im Mai 2018 berechnete die britische Zoll-und Steuerbehörde HRMC Kosten von ca. 32,50 GBP (Great Britain Pound) - ca. 38 Euro - pro abgegebener Zollanmeldung nach dem Brexit. Der Nationale Rechnungshof des VK erwartet ca. 200 Millionen zusätzliche Zollanmeldungen nachdem das VK die EU und ihre Zollunion verlassen hat. Des Weiteren sind Häfen auf beiden Seiten des Ärmelkanals bisher nicht auf die neue Situation ab März 2019 vorbereitet. Die Studie "Mittelstandsradar" der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und des Tübinger Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) zeigt, dass der deutsche Mittelstand bereits heute die Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien extrem kritisch sieht. Demnach beurteilen derzeit gut 40 Prozent der Mittelständler Großbritannien als Absatzmarkt negativ. Und mehr als die Hälfte der Befragten sieht das Vereinigte Königreich als Schlusslicht bei den Produktionsstandorten. Produktzulassungen und Kennzeichnungen Nach dem Brexit gelten die Produktzulassungen und Kennzeichnungen der EU, z. B. das CE Kennzeichen, formal nicht mehr. Auch andere amtliche Grenzkontrollen, die dem Schutz von Mensch, Tier und Umwelt dienen, müssten neu geregelt werden. Dazu beispielsweise die Vorschriften für grenzüberschreitende Bewegungen großer Bargeldbeträge, von Schusswaffen, Sprengstoffen, Betäubungsmitteln und Artefakten sowie Tier-, und Pflanzengesundheitskontrollen. Sollten das VK und die EU bei diesen Neuregelungen nicht effektiv zusammenarbeiten, könnte es zu großen Verzögerungen im Warenfluss kommen. Präferenzieller Ursprung in Gefahr Der Brexit birgt auch für Unternehmen Risiken, die Freihandelsabkommen nutzen und ihre Vormaterialien ganz oder teilweise aus
dem VK beziehen. Nach dem Brexit müssten entsprechende Präferenzkalkulationen neu durchgeführt werden, um zu klären, ob es sich (noch) um Ursprungsware im Sinne eines Freihandelsabkommens handelt oder nicht. Hier besteht die Gefahr, dass nach dem Brexit (und damit dem Wegfall des britischen EU-Ursprungsanteils) die in der EU hergestellte Ware die Ursprungsregelungen nicht mehr erfüllt und Drittlandzölle anfallen. Fazit Das Vereinige Königreich tritt am 29. März 2019 aus der Europäischen Union und damit auch aus der Zollunion, der Gemeinsamen Handelspolitik und dem europäischen Binnenmarkt, der sie zur Personenfreizügigkeit verpflichtet, aus. Viele EU-Verordnungen und Direktiven aus 45 Jahren Mitgliedschaft, inklusive des Unionszollkodex, sowie die vielen, jahrelang mühsam ausgearbeiteten Freihandelsabkommen mit Staaten weltweit stehen nach dem EU-Austritt für Großbritannien dann wieder - nach Ablauf der vereinbarten Übergangsfrist - auf „Null“. Sollten sich die EU und das VK bis zum Stichtag auf keine Form der Zusammenarbeit einigen, kommt es zum sog. „Hard-Brexit“ mit „cliff edge“. Exporteure müssen dann mit zusätzlichen Kosten durch geänderte Zolltarife und Verwaltungsaufgaben sowie Verspätungen beim Warenverkehr rechnen. Das Handelsvolumen zwischen Großbritannien und Deutschland wird voraussichtlich sinken. (RED) EXCommunity The Supply Chainers’ 6. Internationales Treffen 20. – 21. November 2018 auf der Hypermotion, Frankfurt am Main Management 4.0 – New Work & Digital Business Award Night: 13. PREISVERLEIHUNG SUPPLY CHAIN MANAGEMENT AWARD GE Blockchain Hype oder Business-Modell Kultur & Mindsets zur Digitalen Transformation Big Data in der Supply Chain Nachhaltiges Wirtschaften in komplexen Lieferketten Präsentation der Award-Finalisten Jetzt anmelden! exchainge.de Supply Chain Management | Finanzen | Logistik | Einkauf Entscheidungsträger aus Start-ups, dem Mittelstand und der Konzernwelt
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