LOGISTIK express 5/2020 | S28 Zurück zum Ursprung als Weg aus der Corona-Misere? Beim 5. eCommerce Logistik-Day 2020 Mitte September – als Premiere erstmals virtuell statt vor Ort – stand wie bei so Vielem im Moment das Thema Corona im Mittelpunkt. Ganz ohne Verschwörungstheorien oder typisch österreichisches Jammern, dafür mit kreativen Lösungsansätzen und Prognosen. Motto: „Neue Trends in der Logistik nach Corona! Erfahrungen aus der weltweiten Pandemie verändern Logistik Konzepte der Zukunft.“ REDAKTION: ANGELIKA GABOR ANGELIKA GABOR REDAKTION LOGISTIK EXPRESS Der 5. eCommerce Logistik-Day war definitiv anders als seine Vorgänger. Aber anders heißt nicht zwangsläufig schlecht. Wenige ausgesuchte Vortragende mit ausreichend Abstand und hunderte Teilnehmer vor den Bildschirmen, die quasi vom Sofa aus brandaktuelle Erfahrungsberichte hautnah erleben konnten. Schnell wurde klar: in jeder Krise gibt es Gewinner. Bei Corona sind es nicht nur die Maskenhersteller und Desinfektionsmittelproduzenten – laut Statistik gab es im Lockdown immense Zuwächse bei Jogginghosen und IT-Sicherheit. Paketdienstleister erlebten Auftragsvolumina wie zu Ostern und Weihnachten zusammen. Jeff Bezos kann sich vom zusätzlichen Umsatz nur eines einzigen Tages gleich mehrere Modelle seines Lieblingsfahrzeuges Bugatti Veyron Mansory (Listenpreis 2,9 Mio Euro) in die Garage stellen. Dem gegenüber stehen Branchen mit Totalsperren und 100 Prozent Umsatzverlust. Was also tun, wenn nicht mal Kurzarbeit sinnvoll erscheint? Bernd Kratz, Gesellschafter des Instituts des Interaktiven Handels, berichtete von einem Fall, wo ein von den Schließungen betroffenes B2B Unternehmen seine Mitarbeiter an ein anderes
Unternehmen verlieh, dem aufgrund der Grenzschließungen die Mitarbeiter fehlten. Positiver Nebeneffekt: die Mitarbeiter behielten ihren Job und beiden Unternehmen war geholfen. Neue Wege: Sicherheit und Effizienz Krisen sind immer auch ein Beschleuniger: Unternehmen an der existenziellen Kippe verschwinden schneller vom Markt, Entwicklungen gehen rascher von statten. Abstandsregeln beispielsweise führten zur besseren Akzeptanz (da Notwendigkeit) von kontaktloser Zustellung – die davor oft noch undenkbar gewesen wäre. Auch hier kennt Kratz ein Praxisbeispiel: „Dank neuem System konnte ein KEP-Dienstleister die letzte Meile um 30 Prozent effizienter machen. Statt dass der Fahrer kommt und seine Pakete sortiert, übernimmt er ein voll beladenes Fahrzeug und betritt das Gebäude gar nicht mehr. So steigt nicht nur die Sicherheit vor Ansteckungen, der Ablauf wird auch beschleunigt.“ In der Krise kommt es häufig zu operativer Hektik, mangels Mitarbeitern möchten viele Unternehmen schnell automatisieren. Doch hier warnt Kratz eindringlich vor Schnellschüssen: „Ehe man Prozesse automatisieren kann, müssen sie optimiert werden.“ Schlechte Abläufe zu automatisieren ist vergebene Liebesmüh‘ und schade ums Geld. Lokal statt global? Ein Trend, der sich in diesem Jahr deutlich abgezeichnet hat, ist eine klare Regionalisierung. Die Devise: Sicherheit und Lieferfähigkeit sind wichtiger als die reinen Kosten. Die Supply Chain wird überdacht: regionale Beschaffung gewinnt wieder an Bedeutung, da internationale Transporte unter den Grenzschließungen und Ausfällen leiden. Und auch beim Endverbraucher kommt es zum Umdenken, weiß Rainer Will, CEO des Österreichischen Handelsverbands: einer Umfrage zufolge achten zwei Drittel der Kunden auf Regionalität. „Es findet eine starke Umverteilung hin zu e-Commerce statt. Gleichzeitig gehen 85 % der Händler von einem Umsatzverlust im heurigen Jahr aus, nur 13 % planen einen Mitarbeiterausbau.“ Zwar liegen die Insolvenzen momentan noch im Durchschnitt – allerdings wird das bei Inkrafttreten der aktuell ausgesetzten Insolvenzkriterien stark ansteigen. Besonders betroffen: der Fashionbereich. „Durch das Ausbleiben von Touristen und das Absagen von Veranstaltungen liegt das Minus in dem Bereich bei 55 bis 62 %“, so Will. Klar – ohne Ballsaison kauft auch keiner ein Ballkleid. Schon vor der neuerlichen Maskenpflicht gingen die privaten Haushaltsangaben in Österreich um 15 Milliarden zurück – Summen, die nicht mehr aufgeholt werden können. Eine Initiative des Handelsverbands zur Schaffung von Webshops soll dem entgegenwirken – immerhin liegt die Prognose beim Online-Lebensmittelhandel bei einem Plus von 29 %. #eComLog20 Wir Danken den Teilnehmern vom 17.09. vlnr. Bernd Kratz (EMA) Christian Bauer (KNAPP) Thomas Kaiser (SSI SCHÄFER) Max Winkler (KION) Michael Stalzer (HARTLAUER) Claes Axel Lindgren (IKEA) Harald Gutschi (UNITO) Norbert Scheele (C&A) Günter Birnstingl (SEVEN SENDERS) Rainer Schwarz (DPD) Walter Trezek (ECOMMERCE EUROPE) Wolfgang Ziniel (KMU FORSCHUNG AUSTRIA) sowie unserem Gastgeber Rainer Will (HANDELSVERBAND) Will verwies auf eine Initiative, die Bernd Kratz‘ Beispiel ähnelt: unter dem Titel „Händler helfen Händlern“ verliehen Unternehmen aus dem geschlossenen Non-Food-Handel temporär Arbeiter und Angestellte an den Lebensmittelhandel, um Arbeitsplätze zu sichern. Rainer Will
Laden...
Laden...