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LE-5-2020-BH

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LOGISTIK express

LOGISTIK express 5/2020 | S42 S6 das Verteidigungsministerium führte, kam in den sechs Monaten seiner Amtszeit die Aufgabe zu, eine Art Leistungsbeschreibung der Verteidigungsminister in der 2. Republik zu verfassen und eine Gesamtnote auszuweisen. Diese Zäsur war, wie man weiß, katastrophal. Zusammenfassend: Bevor sich die Truppe ihren Aufgaben widmen kann, sagte der Präsident der Unteroffiziersgesellschaft, kommt wieder ein neues Kabinett mit neuen Strukturen. Mit laufenden Evaluierungen und Effizienzanpassungen hat das nichts zu tun. Jeder neue Kabinettschef kommt mit eigenen neuen Vorstellungen. Die Pläne des jeweiligen Vorgängers waren sowieso Blödsinn. Foto: Österr. Bundesheer Dennoch war Klug überzeugt, dass die Republik „jeden Tag gesichert“ ist. Bestärkt hat ihn darin die damalige Innenministerin Mikl-Leitner. „Das Bundesheer ist auf der Höhe der Zeit“ befand sie. Wahrscheinlich dachte sie, mit „baulichen Maßnahmen“ kann man nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Kritiker abfangen. Hans Peter Doskozil (SPÖ-2016- 2017), der als Polizeichef seine Lorbeeren für ein hohes Regierungsamt an der Grenze im Einsatz um die Bewältigung der Flüchtlingskrise gesammelt hat, folgte Klug. Er wollte beim Heer die 30-jährige finanzielle Dürre beenden und zog gegen Airbus in den Krieg. Bevor jedoch die Schlacht begann, zog sich Doskozil ins heimatliche Burgenland zurück und machte von dort aus seinem Nachfolger den Vorwurf, dass das Heer noch immer zu wenig Geld hat. Nach Doskozil wurde es auf der Regierungsebene so richtig turbulent. Stabsunteroffizier Mario Kunasek, der seinen Vorgängern bei der Entscheidung zum 6-Monate-Grundwehrdienst politisches Versagen vorwarf und Doskozil beschuldigte, nur Luftschlösser gebaut zu haben, blieb wenig Zeit an der Spitze des Heeres vergönnt. Sein eigener Parteichef hatte bekanntlich die gesamte Regierung (aus Versehen) in die Luft gesprengt. Brigadier Thomas Starlinger, der nach Kunasek in der Übergangsregierung Der Handlungsbedarf, den Thomas Starlinger in seinem umfassenden Bericht „Unser Heer 2030“ aufgelistet hat, ist seit Jahrzehnten bekannt. Und selbst wenn man einige umstrittene Punkte ausklammert, die tatsächliche Umsetzung der entscheidenden Erfordernisse ist nicht am fehlenden Budget, sondern immer am Grundverständnis und an der politischen Kontinuität für das Heer gescheitert. Dafür gab es jede Menge Selbstdarsteller in maßgeblichen Funktionen, die gleichzeitig als brave Parteisoldaten zwar immer das Gemeinwohl in den Vordergrund stellten, im Rückblick aber offensichtlich nie ein Staatsziel verfolgt haben, sondern Parteiprogramme oder – im Extremfall – persönliche Interessen. Nicht zu vergessen die Vereinsmacht rund um das Bundesheer. „6000 Mitglieder der Österreichischen Offiziers Gesellschaft (ÖOG) kann die Politik nicht ignorieren und lächerlich machen“, sagte Erich Cibulka vor seiner Ernennung zum Präsidenten des ÖOG. Und weiter: „Die Summe aller Mitglieder in Vereinen rund um das Bundesheer geht in die Hunderttausende. Deren Anliegen kann niemand wegwischen, der sich Wahlen zu stellen hat“. Dabei hat der gute Mann noch untertrieben, denn die österreichischen Vereine sind auch im Dachverband Interallied Confederation of Reserve Officers verankert. Da sind wir dann bei einer meinungsbildenden (Militär)Macht von weit mehr als 1 Mio. Mitglieder. Wie schlagkräftig diese Vereinsmacht ist, hat deren Plattform „Wehrhaftes Österreich“ gezeigt

als es darum ging, gegen die ihrer Meinung nach parteipolitisch motivierte „Bundesheerzerstörung“ anzukämpfen. 45.000 Unterschriften sammelte die Organisation 2015 für ein „Stopp der Bundesheer-Zerstörung! Für ein sicheres Österreich“. Das sind mehr Unterstützungserklärungen, als fast bei jedem anderen Volksbegehren, mobilisiert werden konnten. Auch wenn seither angeblich weiterhin an der Bundesheerzerstörung gearbeitet wird, die Vereine haben gezeigt, mit ihrer meinungsbildenden Macht ist zu rechnen. Am 7. Jänner 2020 machte sich die neue Regierung und mit ihr erstmals eine Verteidigungsministerin ans Werk. Sie verwendete Starlingers Kritik als Blaupause für das neue Regierungsprogramm. Aber es dauerte nach der Wahl nur ein paar Monate, bis sich die alten und neuen Kritiker des Bundesheeres vom Schock erholt und realisiert hatten, dass die neue Ministerin Klaudia Tanner, natürlich auch wieder verdiente Parteisoldatin, genau das umzusetzen gedachte, was Starlinger empfohlen hat und nun im Regierungsprogramm niedergeschrieben steht. Anders als bisher, korreliert das Bedrohungsszenario und der davon abgeleitete Entwicklungsplan für das Heer mit einer internalen Sicht auf die Bedrohungsszenarien. Egal ob es die Sicherheitsforschung KIRAS, die Münchner Sicherheitskonferenz, die UNO, NATO oder der eigene Sicherheitsbericht ist, die Reihung der anstehenden Bedrohungen bestimmt den Handlungsbedarf (und den Finanzbedarf). Da bleibt nicht viel Spielraum für politische Spielchen, wenn man der Realpolitik folgt. Und Zeit bleibt auch nicht viel. Warum ist das Bundesheer bei der Bevölkerung derart beliebt, dass man trotz aller unglaublichen Malversationen dennoch von einer unverzichtbaren Institution und Teil der österreichischen Gesellschaft spricht? Zwei große Fragen aus der Heeresgeschichte seit Minister Graf bleiben übrig und es soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden eine Beantwortung zu finden. Die erste Frage ist relativ leicht zu beantworten: Wenn es quer durch alle Kabinette der 2. Republik andauernd schwere Anschuldigungen, bis hin zum Verfassungsbruch gegeben hat, warum wurde niemand bestraft und warum haben die übergeordneten Stellen nicht eingegriffen? Dazu gibt es eine „österreichische Erklärung“: Minister kommen und gehen, Beamte bleiben. Daneben gibt es noch die Vierte Gewalt im Staate, nämlich maßgeblichen Medien, deren Medienarbeiter praktischerweise auch gleich die Öffentlichkeitsarbeit des Heeres übernehmen. Sie streben keinen Pulitzerpreis an, freuen sich aber über hohe militärische Ehrungen. Wenn sich das viertgrößte Medienimperium Österreichs auch noch mit dem „Ehrenzeichen in Gold mit Stein“ der Offiziersgesellschaft für besondere Verdienste auszeichnen lässt, stellt sich die Frage, ob die Presse tatsächlich das moralische Werkzeug ist, durch welches mehr Korruption vereitelt wird, als durch die Justiz. Hundertausende Mitglieder in Vereinen rund um das Bundesheer und deren mediale Unterstützung kann niemand ignorieren. Starlinger wollte das Gesamtproblem bis 2030 vom Tisch haben. Wie das mit der österreichischen Mentalität gehen soll, darüber hat sich Starlinger erst gar keine Gedanken gemacht. Das war vielleicht ein entscheidender Fehler in seiner Arbeit. Innerhalb von 10 Jahren haben wir wahrscheinlich wieder fünf Verteidigungsminister, von denen jeder in seiner eigenen Gulaschkanone rührt und bis zu substantiellen Leistungen kaum vordringen kann. Aber das ist nur eine Vermutung, die jedoch auf Erfahrungen der letzten Jahrzehnte beruht. Foto: Österr. Bundesheer

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