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LE-4-2015

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LOGISTIK express Fachzeitschrift

TRANSPORT & LOGISTIK

TRANSPORT & LOGISTIK Verkehrswirtschaft ortet Handlungsbedarf Der EU-Beitritt Österreichs vor 20 Jahren brachte der heimischen Transportbranche bislang einige Erleichterungen, doch es gibt noch großen Handlungsbedarf, um im EU-Haus als Transportunternehmer gut leben zu können. Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich, zieht Bilanz. hinzuweisen und für die Branche bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen einzufordern. Wo gibt es Handlungsbedarf? TRANSPORT UND LOGISTIK IST EIN BEDEUTENDER WIRTSCHAFTSFAKTOR. 35.000 UNTERNEHMEN SIND IN DER PER- SONEN- UND GÜTER- BEFÖRDERUNG TÄTIG. ALEXANDER KLACSKA Logistik express: Herr Klacska, Österreich ist heuer 20 Jahre Mitglied in der EU. Hat die heimische Transportbranche aus diesem Grund etwas zum Feiern? Alexander Klacska: Österreich hat als kleine exportorientierte Volkswirtschaft vielfältig von der EU-Mitgliedschaft profitiert. Bei der österreichischen Verkehrswirtschaft überwiegen die Vorteile aus der Mitgliedschaft. Der Binnenmarkt kurbelt den Güter- und Personenverkehr an. Die EU hat bisher den Österreichern 57 Mrd. Euro mehr Wohlstand und zusätzliche 375.000 Arbeitsplätze gebracht. Jährlich erspart sie uns drei bis vier Mrd. Euro durch den Wegfall von vielen Zollformalitäten. Die EU gibt Sicherheitsstandards für alle Verkehrsträger vor und sorgt mit in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen geltenden Spielregeln für Wettbewerbsgleichheit. Logistik express: Sie werden nicht müde, immer wieder auf politische Versäumnisse Klacska: Die Belastungen für diesen Wirtschaftszweig müssen gestoppt werden, und gleichzeitig sollte die Politik mit zielgerichteten Förderungen eben diesen fördern, damit der Logistik- und Wirtschaftsstandort Österreich so bleibt wie er ist und natürlich noch besser wird. Was wir zum Beispiel nicht wollen ist eine flächendeckende Lkw-Maut in Österreich. 600 Mio. Euro erhoffen sich die Bundesländer daraus zu erlösen, fünf Prozent davon müsste man für die Systemkosten abziehen. Die Mehrkosten durch die Flächenmaut werden alle Österreicher bezahlen. Einerseits spendiert der Staat den Bürgern Steuererleichterungen von fünf Mrd. Euro, andererseits kassiert er gleich 20 Prozent davon wieder ein. Sollte die Maut dennoch kommen, dann will die Transportwirtschaft auch uneingeschränkt auf allen Straßen fahren dürfen, und es wird der Wildwuchs an Fahrverboten quer durchs Land nicht akzeptiert. Was wir nicht länger akzeptieren können, ist die Haftung der Spediteure im Rahmen der Fiskalverzollung nach „Verfahren 42“. Hier ist man in Österreich gerade dabei, ein Geschäftsmodell zu zerstören. Heimische Spediteure haften persönlich dafür, wenn der Kunde im Ausland seine Steuern nicht bezahlt. Mit der Fiskalverzollung sind landesweit 2.000 Menschen beschäftigt, und es werden ein Bruttoproduktionswert von 300 Mio. Euro und eine Wertschöpfung von 100 Mio. Euro generiert. Gerade Unternehmen aus Italien, Ungarn oder Frankreich nutzen in Österreich gern das Verfahren 42. Immer weniger Spediteure bieten diese Dienstleistung an, weil sie ihnen zu riskant ist. 28 LOGISTIK express 4|2015

Logistik express: Sie rufen nach einheitlichen Regelungen in allen EU-Ländern. Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf bei der Vereinheitlichung? Klacska: In der Praxis und Umsetzung von EU-weiten Regelungen fehlen leider oft Augenmaß, Fairness und Rücksicht auf die Wirtschaft. Wir sehen leider immer mehr nationale Alleingänge bei der Interpretation von EU-rechtlichen Vorgaben, und das führt zu teils heftigen Wettbewerbsverzerrungen und mehr Bürokratie. Obwohl es eigentlich harmonisierte EU-Vorschriften in diesen Bereichen gibt, setzen die Mitgliedstaaten diese Vorgaben immer öfter so um, dass die Wirtschaft darunter leidet. Ein administratives Hindernis, trotz Binnenmarkt, ist etwa das ungarische „Elektronische Kontrollsystem für den Landverkehr“ (EKAER). Hier wurde ein kompliziertes Meldesystem hochgezogen. Auch die unterschiedliche Handhabung von grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerzahlungen wie etwa in Slowenien, Kroatien und Polen stellt Unternehmen vor große Probleme, ebenso wie das italienische System SISTRI, das eine Eintragungspflicht für Unternehmen, die gewerbsmäßig gefährliche Sonderabfälle transportieren, vorsieht. Logistik express: Sie kritisieren die zu hohen Fahrzeugzulassungskosten in Österreich und verlangen eine Reduktion auf die tatsächlichen Behördenkosten. Was stellen Sie sich vor? Klacska: Wir wollen nicht länger die hohen Zulassungskosten akzeptieren, die pro Jahr für 1,4 Mio. in Österreich angemeldete Fahrzeuge 250 Mio. Euro ausmachen. Davon werden allein 170 Mio. Euro von den Behörden kassiert. Was wir verlangen, ist eine Reduktion und Anpassung an den tatsächlichen Aufwand. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage wurde nämlich bekannt, dass die behördenseitigen Kosten völlig unabhängig von den tatsächlich anfallenden Kosten festgelegt werden. Die Kostengestaltung ist damit aus unserer Sicht politisch motiviert und wir wollen diese so nicht länger hinnehmen. Logistik express: Welche Auswirkungen hat das deutsche Mindestlohngesetz auf die österreichischen Transportunternehmen bzw. wie muss die Branche darauf reagieren? Klacska: Das deutsche Mindestlohngesetz (Mi- LoG) stellt die heimische Transportwirtschaft vor große Herausforderungen. Das MiLoG sieht neben seiner Lohnzahlungsverpflichtung auch umfassende administrative Melde- und Bereithaltungspflichten in Kombination mit exorbitant hohen Bußgeldzahlungen (bis zu 500.000 Euro) vor. Aus Sicht der österreichischen Verkehrswirtschaft besteht dringender Handlungsbedarf der Europäischen Kommission mit dem Fokus, dass Deutschland europarechtlich verpflichtet wird, dass Transitbeförderungen und Fälle, die keine Entsendung im Sinne der EU-Entsende-RL darstellen, vom Geltungsbereich des MiLog jedenfalls auszunehmen sind. Logistik express: Sie beklagen, dass die Transportwirtschaft als „Melkkuh" für den Staat herhalten muss. Wo soll der Staat aufhören, die Branche zu „melken"? Klacska: Der gesamte Straßenverkehr in Österreich zahlte im Vorjahr 13 Mrd. Euro an Steuern und Gebühren. Ob Mineralölsteuer, Lkw-Maut, motorbezogene Versicherungssteuer, Mehrwertsteuer oder Zulassungskosten. Ein hoher Kostenfaktor ist die Maut, hier darf nicht weiter an der Preisschraube gedreht werden. Bemautungen, die nur den Hintergrund haben, Budgetlöcher zu stopfen, und für unsere Betriebe eine übermäßige und unfaire Belastung darstellen, lehnen wir strikt ab. Jährlich werden die gesamten Mauteinnahmen automatisch indexiert, alle zwei Jahre werden die Mauttarife zusätzlich nach den Ökoklassen erhöht. Wir fordern daher eine wirtschaftsverträgliche Gestaltung des Mautsystems und einen generellen Stopp von zusätzlichen Mauttariferhöhungen. Logistik express: Ohne Transport und Logistik funktioniert Wirtschaft nicht. Was leistet der Transportsektor für Österreichs Volkswirtschaft? Klacska: Die im Verkehrsbereich agierenden Unternehmen sorgen als Nahversorger für eine hohe Lebensqualität, sichern den Wirtschaftsstandort Österreich und leisten einen wichtigen Beitrag für den Umweltschutz. Transport und Logistik ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. 35.000 Unternehmen sind in der Personen- und Güterbeförderung tätig. Mit 210.000 Mitarbeitern wird eine jährliche Bruttowertschöpfung von 14 Mrd. Euro generiert. INDEX: WKO www.wko.at LOGISTIK express 4|2015 29

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