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LE-3-2021

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LOGISTIK express Ausgabe 3/2021

LOGISTIK express

LOGISTIK express 3/2021 | S6 Die Zukunft Europas: nach der Krise ist vor der Krise Auch wenn die globale Pandemie die Schlagzeilen der letzten Zeit beherrschte, gibt es noch andere Themen großer Wichtigkeit. Umweltschutz, Migration, Energiewende und Bildungsmisere sind nur einige davon. Die europäische Zukunftskonferenz hat als Ziel, Lösungen zu finden und ein geeintes Europa für die nächsten Generationen zu schaffen. REDAKTION: ANGELIKA GABOR ANGELIKA GABOR REDAKTION LOGISTIK EXPRESS Am 19. Juni um 9 Uhr fand in Straßburg die erste Plenarsitzung der „Konferenz zur Zukunft Europas“ statt. Wohlgemerkt Europa, nicht EU – denn nicht erst seit dem Austritt Großbritanniens ist klar, dass ein wettbewerbsfähiges, lebenswertes Europa den ganzen Kontinent betrifft und die EU-Spitze bei Maßnahmen über ihren eigenen Tellerrand hinausblicken muss. Detail am Rande: Wer wusste, dass Europa geographisch gesehen eigentlich gar kein eigener Kontinent, sondern Subkontinent von Eurasien ist? Mehr als 700 Millionen Europäer leben und wirken auf einer Fläche von rund 10,5 Millionen Quadratkilometern, aufgeteilt in – je nach Grenzziehung – 46 bis 49 souveräne Staaten. Dagegen muten die 27 EU-Mitgliedsstaaten beinahe mickrig an, wenngleich sie mehr als 450 Millionen Einwohner beherbergen. Darum ist eines der bei der Konferenz behandelten Themen auch die Integration des Westbalkans in die EU. Momentan laufen ja Verhandlungen mit Nordmazedonien, Serbien, Albanien und Montenegro, mit der Türkei (von der sich lediglich 3 Prozent der Landfläche auf dem europäischen Teil befinden) nicht mehr wirklich. An der konstituierenden Sitzung nahmen rund 400 Abgeordnete, EU-Vertreter, Delegierte verschiedener Ausschüsse, Sozialpartner sowie EU-Bürger Teil. Für Österreich dabei: Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). Der Plan ist, bis Anfang 2022 konkrete Vorschläge zu erarbeiten, was sich ändern muss, damit die Union die nächsten Jahrzehnte erfolgreich erlebt. Sprich wie wir es schaffen können, die „europäischen Werte“ und die Demokratie zu bewahren und die Einzelinteressen der Staaten zu den Themen Außenund Steuerpolitik, Arbeitsplätze, Klimaschutz und Reisen unter einen Hut zu bekommen. Der Haken: Ob und wie sie umgesetzt werden, entscheiden dann die EU-Staaten und das Europaparlament, das für seine Reformbereitschaft weithin bekannt ist… Samstag kamen jedenfalls gut 150 Redner zu Wort, via Internetplattform können Menschen sich einbringen und selbst Diskussionen veranstalten. Auch Bürgerforen sind geplant, die Vertreter entsenden können. Am 22. und 23. Oktober 2021 wird die nächste Plenarversammlung stattfinden – dann wird sich zeigen, ob großen Worten auch Taten bzw. konkrete Maßnahmen folgen. Die Corona-Krise hat jedenfalls wieder gezeigt, dass sich im Härtefall – Stichwort Impfstoffbeschaffung – dann doch jeder selbst der Nächste ist und die Solidarität dort endet, wo Verzicht beginnt. Hoffnung für Steyr Apropos Verzicht: nach dem vorerst gescheiterten Übernahmeversuch im April kam es nun doch zu einer Einigung zwischen Investor Siegfried Wolf und MAN. Bei seinem nachgebesserten Angebot behalten 1.400 Menschen

ihren Job (statt 1.250), die zusätzlichen 150 Stellen werden über eine extra mit dem Land Oberösterreich geschaffene Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft abgesichert. Jene 500 Personen, die trotzdem ihren Arbeitsplatz verlieren, erhalten mehr als ursprünglich geplant. Sie werden dem deutschen Modell in der Nettoausgleichszahlung gleichgestellt, für ältere Mitarbeiter gibt es ein Altersteilzeitmodell und die 166 Lehrstellen bleiben erhalten. Dafür bleiben die schon zu Beginn angestrebten Gehaltskürzungen aufrecht… Im Gegensatz zu April wird es diesmal (aus Sicherheitsgründen?) keine Urabstimmung geben; der Vorstand hat dem Vertrag zugestimmt. Wer den neuen Arbeitsvertrag unterzeichnet, nimmt damit die Bedingungen an und die maximal 15 Prozent Lohnkürzung (vom Nettolohn) in Kauf. Aber wir wären nicht in Österreich, wenn sich die Gewerkschaften – in diesem Falle PRO-GE und GPA – nicht gleich wieder gemeldet hätten: aus ihrer Sicht gelten nämlich die bestehenden Arbeitsverträge auch nach der Übernahme durch Wolfs WSA. Dass dieser das anders sieht, liegt auf der Hand. Man wird sehen, wer hier den längeren Atem hat. Wenn wir ab 2023 neue „Steyr“-Nutzfahrzeuge auf den Straßen sehen, hat der Wolf gewonnen. Willkommen in der Schuldenunion Noch eine aktuelle Nachricht, die ein bisschen in den Hintergrund getreten ist: die Euroländer haben erstmals europäische Staatsanleihen, die Eurobonds, ausgegeben. Schulden, für die alle Länder gemeinsam haften, und die aus dem EU-Budget zurückgezahlt werden (also von Nettozahlern…). Die Corona-Krise macht’s möglich - Egon Alfred Klepsch würde sich vermutlich im Grabe umdrehen, wenn er das wüsste. Eine der wesentlichen Grundlagen der Europäischen Union ist – bzw. war, wie es scheint – die Nichtbeistands- oder No-Bailout-Klausel. Bei der ersten Auktion Anfang Juni wurden 20 Milliarden Euro eingenommen, die in den EU-Wiederaufbaufonds fließen. Lange hatten Österreich und Polen sich dagegen gewehrt, aber schließlich doch die Zustimmung erteilt. Schon letzten Juni war der mit insgesamt 750 Milliarden Euro dotierte Corona-Hilfsfonds nach zähen Verhandlungen beschlossen worden, mit den Eurobonds kann die fröhliche Geldumverteilung starten. Bis Jahresende sollen Eurobonds um weitere 80 Milliarden Euro ausgegeben werden. Die siebenfach überzeichneten Emissionen laufen 10 Jahre. Nun darf sich die EU mit dem Titel „größter supranationaler Anleiheemittent“ schmücken… ob das positiv ist, darf jeder für sich selbst beantworten. Immerhin gibt es strikte Vorgaben zur Verwendung des Geldes im Rahmen des „Recovery Plans“: so müssen zumindest 37 Prozent in Klimaschutzmaßnahmen investiert werden, weitere 20 Prozent in die Digitalisierung. Bis April hatten die Mitgliedsländer Zeit, ihre Pläne an die Kommission zu übermitteln, die dann in Zukunft den Geldhahn öffnet. Natürlich wurde dabei von Seiten der Politik mit Freude verkündet, dass Österreich bis zu 3,5 Milliarden Euro für den Wiederaufbau erhalten wird. Zum Vergleich: Italien wird im Laufe der nächsten Jahre voraussichtlich 191,5 Milliarden Euro an Zuschüssen und Darlehen aus Brüssel erhalten, Deutschland 28 Milliarden. Während also die einen fleißig über die mögliche Zukunft Europas debattieren, wird an anderer Stelle schon fleißig Geld verteilt. Geld, das streng genommen gar nicht da ist. Geld, das die nächsten Generationen zurückzahlen dürfen. Ein jüngst von Finanzminister Gernot Blümel an seine europäischen Amtskollegen versendeter Brief mit der Aufforderung, nach Überwinden der Krise wieder zu den Fiskalregeln und einer niedrigen Verschuldung zurückzukehren, blieb bislang eher unbeantwortet. Laut Eurobarometerbefragung vom April sehen nur noch 34 Prozent der Österreicher die EU positiv. Wenn alles so weiterläuft, sehe ich für die Zukunft des vereinten Europa schwarz. (AG)

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