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LE-2-2009

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LOGISTIK express ZEITSCHRIFT EPAPER

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KARRIERE Mit der Bildungskarenz plus versucht der Staat, die Unternehmen bei der Qualifizierung ihrer Mitarbeiter zu unterstützen. Interessanterweise wird dieses Angebot noch wenig genutzt, dabei könnte die Gelegenheit nicht günstiger sein: massive Auftragsrückgänge sind zwar aus unternehmerischer Sicht eine Katastrophe, führen aber zu Ruhephasen für die Mitarbeiter – und diese könnten durch Schulungen sinnvoll genutzt werden. Bei voller Auslastung einen Teil der Belegschaft zur Weiterbildung zu schicken ist ohnedies schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Also wann – wenn nicht jetzt? Interview mit ursula rettinger Geschäftsführerin Berlitz Die Pause nutzen! Die unsichere Zukunft und reale Einbußen veranlassen viele Unternehmen zu einem radikalen Ausgabenstopp. Besonders das Weiterbildungsbudget fällt derzeit oft dem Rotstift zum Opfer, auch wenn die Unternehmensspitze nach außen hin Schulungsmaßnahmen in Krisenzeiten gutheißt – Wasser predigen und Wein trinken? Logistik Express hat sich bei etablierten Ausbildungseinrichtungen umgehört. Wer spart wo? „Man muss die derzeitige Wirtschaftslage differenziert betrachten, nicht alle Unternehmen sind gleich stark betroffen“, meint Dr. Katharina Fischer-Ledenice, Leiterin des Hernstein Instituts für Management und Leadership. „Es bieten sich drei Segmente dar, jene Bereiche, die (noch) nicht betroffen sind, wie beispielsweise die öffentliche Verwaltung dank mehrjähriger Budgets oder Nischenanbieter wie Fastfood-Restaurants. Am anderen Ende der Kette befinden sich die Hochbetroffenen, wie die Automobil- und Zulieferbranche oder Banken, die ums Überleben kämpfen. Und dann gibt es noch die dritte und wachsende Gruppe, die zwar Rückgänge verzeichnet, aber durchaus noch überlebensfähig ist.“ Je nach Gruppe würden sich die Einsparungen unterschiedlich stark auswirken, denn während die einen rigoros sparen und sämtliche Ausbildungsvorhaben abgesagt wurden, würde die erste Gruppe die Phase nutzen, um High-Potential-Programme zu starten. „Etliche Aufträge wurden verschoben, natürlich spürt unsere Branche die Sparmaßnahmen, aber andererseits wurden und werden auch von öffentlicher Seite viele Maßnahmen gestartet, die sich positiv auswirken“, wirkt Mag. Ursula Rettinger, Director Sales & Business Development der Berlitz Austria GmbH, zuversichtlich. „Dank der Bildungskarenz und verstärkter Arbeitslosenweiterbildung verzeichnen wir in Wien stabile Ergebnisse. Allerdings gibt es bundesweit starke Schwankungen, in Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und der Steiermark – also jenen Landesteilen mit stark automotivem Bezug – gibt es deutliche Rückgänge.“ Ähnliche Worte findet auch Romy Faisst, Geschäftsführerin und Gründerin der Business Circle Management Fortbildungs GmbH: „Man muss alle derzeit veröffentlichten Studien zu diesem Thema viel differenzierter betrachten, denn die Ausbildungsbudgets fließen in verschiedene Kanäle, und es spielt sehr wohl eine Rolle, wohin genau. Denn zwischen persönlicher Weiterentwicklung, Inhouse-Trainings und externen Seminaren gibt es große Unterschiede im Bezug auf die Kürzungen, man darf nicht alles über einen Kamm scheren.“ Insgesamt sei aber zu sehen, dass jene Unternehmen, die bislang viel Wert auf die Qualifikation ihrer Mitarbeiter gelegt hatten, nach wie vor darauf setzen würden. Fachwissen vs. Soft-Skills „Während die sogenannten „Nice-to-have“- Themen derzeit überhaupt nicht nachgefragt FOTO: ISTOCKPHOTO.COM 32 LOGISTIK express 2|2009 www.logistik-express.at

KARRIERE werden, ist die Nachfrage nach Themen mit fachlicher Aktualität weiterhin stabil“, erklärt Faisst, „zu unserer Freude war unser kürzlich abgehaltenes Jahresforum sehr gut besucht.“ Den Grund hierfür sieht sie in der Konzeption als Plattform für Wissenstransfer, wo neben nötiger Fachwissensvermittlung besonders der Erfahrungsaustausch im Vordergrund steht. Diese Aussagen bestätigt auch Fischer- Ledenice: „Themen mit fachlichem, handwerklichem Aspekt wie Change-Management oder auch Verhandeln sind momentan stark gefragt, das liegt daran, dass sie sicherheitsstiftend wirken. Softskills hingegen, wie etwa Stimmbildung und Persönlichkeitsentwicklung, erscheinen derzeit unwichtiger.“ Sie räumt aber ein, dass auch bei den Fachseminaren oftmals am Rande neben dem „Was“ noch die Frage nach dem „Wie“ gestreift würde. Interview mit romy faisst Geschäftsführerin Business Circle Maßgeschneiderte Lösungen „Es ist im Moment noch wichtiger als sonst, sich bewusst an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Aus diesem Grund haben wir komprimierte, fachspezifische Packages geschnürt, mit denen wir sogar ein wenig vom üblichen Berlitz-Programm abweichen“, erläutert Rettinger. Hier sei sowohl von den TrainerInnen als auch vom Produktdesign Flexibilität gefordert. So würden beispielsweise Trainingsphasen aus den Kursen ausgenommen, in kürzester Zeit würde rein das Wissen vermittelt, die Übung käme dann in der Anwendung. „Wir bringen den Schülern bei, wie sie in bestimmten beruflichen Situationen sprachlich zurechtkommen. Die Pakete werden auf den jeweiligen Bedarf zugeschnitten. Das Spannende an der Situation ist, dass wir nun anfangen, alte Systeme zu überdenken, um uns als rascher, flexibler Partner in der Krise zu erweisen“, führt Rettinger aus. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch der Service: „Wir geben unser Wissen über Förderungen, Zuschüsse und Unterstützungsmöglichkeiten – und derer gibt es viele – gerne an unsere Kunden weiter.“ Eine interessante Änderung im Verhalten der Seminarteilnehmer bemerkt Faisst: „Da alle gleich betroffen sind, herrscht eine gewisse Offenheit untereinander. Es wird frei über die Nöte der Unternehmen gesprochen, da es keine einzelnen Schuldzuweisungen gibt. Das Klima ist so gesehen paradoxerweise sogar freundlicher geworden.“ Einen Anstieg bei Inhouse-Anfragen bemerkt Fischer-Ledenice: „Wir werden verstärkt in die Firmen geholt, um Prozesse zu unterstützen, beispielsweise in Managementteams. So kann es vorkommen, dass wir Führungskräftemeetings begleiten und moderieren, mit Hilfe einer Strukturaufstellung diagnostisch arbeiten und so gemeinsame Zukunftsszenarien entwickeln. Es geht tendenziell eindeutig mehr um die Entwicklung und Stärkung des Kollektivs, als um die Qualifizierung von Einzelpersonen.“ Interview mit Fischer-Ledenice Geschäftsführerin Hernstein Vielfältiges Angebot „Wir haben schon im Herbst 2008 gemeinsam mit Stakeholdern und Kunden die Lage besprochen und eine Strategie zurechtgelegt, mit der wir nun recht gut fahren“ berichtet Fischer-Ledenice. So sei das Angebot des Instituts in mehrere Kategorien aufgeteilt, um unterschiedliche Kundengruppen anzusprechen. „Wir bieten neue 1-tägige input- und verarbeitungsorientierte Seminarworkshops an, die gut angenommen werden. Unser diesjähriges Forschungsprojekt läuft unter dem Titel ‚Management- und Leadershipqualitäten in turbulenten Zeiten’. Im Zuge dessen starten wir im Juni eine dreiteilige Veranstaltungsreihe, wo wir Führungskräften die Möglichkeit eines ‚Boxenstopps’ bieten.“ Während der Veranstaltung eröffne sich ein Reflexionsraum, der den Teilnehmern helfe, die eigene Situation und Aufgabenstellung besser einzuschätzen und Klarheit zu erlangen. „Oft werden Bildungsbudgets gekappt, um ein sichtbares Zeichen des Sparens zu setzen, aber das ist der falsche Weg. Mitarbeiter, die in der Krise gefördert werden, werden sich auch danach dem Unternehmen gegenüber loyal erweisen“, appelliert Faisst an die Vernunft der Entscheidungsträger. Arbeitslosigkeit macht krank Die Wirtschaftskrise zeigt Wirkung: Laut einer weltweiten Umfrage von Monster leiden 85 Prozent unter Schlafstörungen aufgrund von Stress im Job oder bei der Jobsuche. Wer als Unternehmer noch zwischen den Möglichkeiten schwankt, seine Mitarbeiter in geförderte Schulungsmaßnahmen zu stecken oder abzubauen, sollte sich diese Zahl vor Augen halten. Denn abgesehen vom möglichen sozialen Abstieg, Scham- und Minderwertigkeitsgefühlen zeigt die Auswertung der im April und Mai in den USA, Kanada und Europa durchgeführten Umfrage ganz klar, dass Probleme am oder mit dem Arbeitsplatz Menschen zunehmend gesundheitlich beeinträchtigen. So haben 58 Prozent der Österreicher und 57 Prozent der Deutschen Schlafstörungen aufgrund der frustrierenden und belastenden Suche nach einem neuen Arbeitsplatz, bei den Spaniern liegt der Anteil sogar bei 81 Prozent. Stress am Arbeitsplatz Während in Österreich 21 Prozent der Umfrageteilnehmer nachts aufgrund des täglichen Stresses bei der Arbeit nicht schlafen können – in Deutschland sind es 18 Prozent – sind in Finnland sogar 35 Prozent betroffen, Belgien (33 Prozent) und Frankreich (32 Prozent) liegen nur knapp dahinter. Glücklich schätzen kann sich diesbezüglich wohl, wer Pole ist: ganze 36 Prozent gaben an, keinerlei arbeitsbedingte Schlafprobleme zu haben, in Österreich gaben vergleichsweise niedrige 14 Prozent diese Antwort, der weltweite Durchschnitt liegt bei 15 Prozent. Betrachtet man diese Statistik, ist Österreich vom Image der „Insel der Seligen“ wohl wieder ein ganzes Stück entfernt. www.logistik-express.at LOGISTIK express 2|2009 33

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