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LE-2-2008

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LOGISTIK express ZEITSCHRIFT EPAPER

PERSÖNLICHKEITEN Sie

PERSÖNLICHKEITEN Sie üben zahlreiche Funktionen im Bereich Verkehr und Logistik aus. Wie schaffen Sie es, all diese Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen? Ich übernehme nur solche Tätigkeiten, die eine direkte oder indirekte Verbindung mit den Anliegen der von mir geleiteten Unternehmen bzw. der wahrgenommenen Aufgaben erfüllen und meist darüber hinaus einen interaktiven Wertschöpfungsbeitrag erbringen. Das heißt, bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben gibt es vielfältige synergetische Effekte, vor allem aber verfüge ich über ein Team von hochmotivierten und kompetenten Damen und Herren, die mich bei meinen umfangreichen Aktivitäten unterstützen. Last but not least gehört natürlich auch dazu, mit einer 60- bis 70-Stundenwoche – erforderlichenfalls auch mehr – zurechtzukommen. Dies gelingt mir nicht zuletzt dadurch, dass ich „Lebensbergsteiger“ bin. Als Extrembergsteiger seit über 30 Jahren mit ungefähr 1.700 Touren bin ich viele Jahrzehnte als Alpinausbildner im Alpenverein, meist in leitender Funktion, und auch als Alpenvereins- und Verbandsvorsitzender in alpinen Angelegenheiten aktiv. Dies ist ein hervorragender Ausgleich. „Die RCA wird zum Marktführer im Schienen-Logistik-Bereich in Südosteuropa.“ FRIEDRICH MACHER Welchen Anforderungen müssen junge Menschen im Wettbewerb der Standorte genügen? Grundvoraussetzung ist eine solide Ausbildung in breitem Rahmen, jedoch mit der Fähigkeit und Bereitschaft, notfalls auch ins Detail zu gehen und sich Zusatzinformation und Zusatz-Know-how zu beschaffen. Die formalen akademischen Kriterien und auch die Erfüllung der intellektuellen Standards sind eine zwar notwendige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für beruflichen und Lebenserfolg. Viel mehr gehören die sozialen und emotionalen Kompetenzen und vor allem auch die Begeisterung – die „Passion“(!) – für das, was man tut, dazu. Im österreichischen Umfeld mutet es leider oft fast lächerlich an, das Wort Begeisterung und Leidenschaft im Zusammenhang mit beruflichem Engagement und darüber hinaus gehenden Aktivitäten zum Tragen zu bringen. Es kommt aber noch eine Qualität dazu: Nämlich, dass sehr viel Disziplin und Fleiß gerade am Anfang und auch am Höhepunkt einer beruflichen Karriere ganz wesentlich sind. Es sind 90 Prozent Transpiration und 10 Prozent Inspiration. Mit einer primär freizeitorientierten Schonhaltung – und damit spreche ich nicht gegen eine Work-Life-Balance an sich – wird man nicht durchkommen. Hier kann man sich gerade an osteuropäischen Hochschulen „Die Gunst der Lage nutzen“ Friedrich Macher, seit Jahresbeginn Vorstandsdirektor der Rail Cargo Austria, spricht im Interview über die Beseitigung von Infrastrukturdefiziten, die Marktführerschaft in Südosteuropa und den optimierten Verkehr der Zukunft. TEXT: STEPHAN HOFSTäTTER an dem Lerneifer und dem hohen Engagement, die sich nicht zuletzt in kurzen Studienzeiten niederschlagen, ein Beispiel nehmen. In welchen Bereichen hat Österreich als Logistik-Standort Nachholbedarf? In welchen Bereichen ist Österreich vorbildhaft? In unserem wohlhabenden, hochindustrialisierten Land ist die Kernherausforderung für die Logistik, durch Effizienz und Effektivität die verkehrspolitische Gunst der Lage zu nutzen und Kostennachteile durch Produktivitäts- und Qualitätsvorteile nicht nur zu egalisieren, sondern sogar zu überkompensieren. Österreich ist in den letzten Jahren dabei, die Infrastrukturdefizite, welche auch andere Länder nach der Ostöffnung auszugleichen hatten, nunmehr rasch aufzuholen. Der Umstand, dass die wesentlichen Nutzer der Infrastruktur – Straße und Schiene – fortan unter einheitlicher Steuerung optimiert werden, hilft dabei. Natürlich darf der Verkehrsträger 8 LOGISTIK express 2|2008 www.logistik-express.at

PERSÖNLICHKEITEN Binnenschiff, der im Modalsplit für den Wirtschaftsstandort Österreich gute Chancen hat, genauso wenig übersehen werden wie die Notwendigkeit, Wien als Hub sowohl für den Personen- als auch Güterverkehr in der Luft wettbewerbsfähig zu erhalten. Moderne Logistik beschäftigt sich unverändert weiterhin mit den TUL-Faktoren – Transportieren, Umschlagen, Lagern –, bietet aber darüber hinaus wesentliche Möglichkeiten, zusätzliche Wertschöpfung und damit hochqualifizierte Arbeitsplätze – Logistik-Informatik, Logistik-Steuerungssysteme, Value Added Services, etc. – anzubieten. Sowohl von der Qualifikation als auch in dazu passenden Regionen, insbesondere im Weinviertel und südlichen Burgenland, sind für solche Aufgaben hervorragend ausgebildete Fach- und Führungskräfte verfügbar, was z. B. in den westlichen Regionen der Slowakei und zum Teil auch in Ungarn nicht mehr der Fall ist, weil dort Überbeschäftigung herrscht. Der weltweite Güterverkehr ist stark im Steigen. Einerseits kann Mitteleuropa als Schnittstelle zwischen Ost und West und Nord und Süd davon profitieren, andererseits gibt es Umweltprobleme. Was ist der Ausweg aus diesem Dilemma? Die Antwort ist eindeutig. Von der Verkehrssteuerungsseite ist der multimodale Verkehr, also das Zusammenwirken der Verkehrsträger Straße, Schiene, Binnenschiff, besonders zu fördern und weiterzuentwickeln. Natürlich muss auch der verkehrspolitische Dialog, der die dienende Rolle des Verkehrs als Unterstützung für Industrie, Handel und Konsumenten in den Vordergrund stellt, geführt werden und auch der fachkompetente Ausgleich der Interessen zwischen Güterverkehr und persönlichen Mobilitätsbedürfnissen muss gelingen. Sie sind seit mehr als einem Quartal bei der RCA: Wohin geht die Reise der RCA? Wie deckt sich Ihre bekannt kritische Außenansicht der Bahn mit der Innensicht? Die „Reise“ der RCA geht eindeutig zum Marktführer im Schienen-Logistik-Bereich in Südosteuropa und zur Nr. 3 im Güterverkehrsbereich Europas. Die dazu notwendigen Voraussetzungen werden erarbeitet und sind zu einem guten Teil auch bereits vorhanden. Die vorgesehene Übernahme der MAV Cargo stellt ein wesentliches Element dieser strategischen Zukunftssicherung dar. Niemand wird von mir verifizierte Äußerungen vorlegen können, in denen ich das System Bahn als solches kritisiert habe. Manche Akzente des Managements der RCA habe ich in meiner Aufgabe als Präsident des Zentralverbands der Spediteure angesprochen, insbesondere die erforderliche Neutralität, die die Voraussetzung dafür ist, auch Logistik- Dienstleister und die von ihnen gesteuerten Geschäfte zu einem möglichst großen Anteil auf die Schiene zu bringen. Andere Ausführungen von mir haben sich mit notwendigen Kapazitäten beim rollenden Material und Güterverkehrszentren beschäftigt. Zurzeit ist ein gewaltiges Investitionsvorhaben zur Optimierung des Wagonmaterials im Gange, das sicherstellen wird, dass wir die Chancen für Geschäfte auf der Schiene in Zukunft nutzen können. Auch die endgültig zu realisierende Übernahme der MAV Cargo ist eine gute Möglichkeit, verfügbares rollendes Material aus deren Bestand zu Umsatz zu machen. Gemessen an technischen Instandhaltungsstandards wie auch Einsatztagen und mit der RCA verglichen, sollte sich Zusatzpotential erschließen lassen. Woher kommt das negative Image der Transportwirtschaft in der öffentlichen Meinung – Stichwort Lärm und Abgase? Ist es gerechtfertigt? Der notwendige Dialog zu einer ausgewogenen Sicht der Verkehrsströme ist zu intensivieren. Gleichzeitig müssen alle technisch möglichen, aber auch wirtschaftlich finanzierbaren Möglichkeiten zu einer Verringerung der Emissionswerte geschaffen werden. Zur Person Friedrich Macher wurde am 17. November 1952 in Ladendorf/NÖ geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er war u. a. Vorsitzender des Vorstandes der Kühne & Nagel Österreich AG, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Kühne & Nagel Österreich GmbH und Area Manager Kühne & Nagel Central Europe. Er ist Gründungskoordinator des MBA Krems und Gastprofessor an der Donau-Universität Krems. Von seinen zahlreichen Funktionen seien genannt: Mitglied des Ausschusses für Gesellschaftspolitik und des Ausschusses für Bildungspolitik der Vereinigung der österreichischen Industrie; Gründungs- und Ehrenpräsident der Bundesvereinigung Logistik Österreich; Ehrenmitglied der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft; Präsident der Austrian Foundation For Quality Management. Weiters ist er Mitglied des Österreichischen Alpenklubs und des Österreichischen Bergrettungsdienstes. Seit Jahresbeginn 2008 ist Friedrich Macher Vorstandsdirektor der Rail Cargo Austria AG. Dabei ist aber auch ganz klar zu beachten, dass wesentliche Kostenverteuerungen aller Verkehrssysteme teilweise vom Konsumenten zu bezahlen oder von der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie bei ihren Exporten zu tragen wären. Massive betriebswirtschaftlich nicht finanzierbare Investitionen bei der Schiene über das ohnehin Laufende hinaus würden die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Straße in sensiblen Bereichen – intermodaler Verkehr und ROLA – erschweren. Salopp formuliert: Wenn man die LKW in weitest gehendem Ausmaß „von der Straße“ haben will, muss man die Regel des kleineren Übels anwenden. Und das ist allemal die geringere Emission der Schiene und, wo einsetzbar, der Binnenschifffahrt. Die Logistik-Dienstleister und Transportunternehmen müssen unter den gegebenen Rahmenbedingungen ihre verkehrspolitische und betriebswirtschaftliche Aufgabe erfüllen. Sie werden in der Zukunft noch verstärkter auf eine ökologische Verkehrsmittelauswahl zu achten haben. Die dafür notwendige Bereitschaft der Verlader, Mehrkosten zu tragen, nimmt im Sinne der laufenden Bewusstseinserweiterungen über den Klimawandel zu. Was ist Ihre Vision eines effektiven und effizienten Gütertransports in 20 bis 30 Jahren? Mein mittleres Szenario beruht auf folgenden Annahmen: es wird gelingen, Wirtschaftswachstum und Mengenwachstum im Güterverkehr insbesondere durch Strukturänderungen im Fertigungsbereich zu entkoppeln. Die technologischen Möglichkeiten zur Optimierung des Verkehrs – Energiewirkungsgrad, alternative Antriebstechnologien, sinnvolle Nutzung erneuerbarer und emissionsärmerer Energie, etc. – werden in einem maximal möglichen Ausmaß genutzt. Die Verkehrstelematik wird wesentliche Funktionen zur Steuerung und Optimierung sowie Erhöhung der Durchgängigkeit erbracht haben. Der verkehrspolitische Dialog hat Verständnis dafür geweckt, dass der „nicht vermeidbare“ wirtschaftliche Güterverkehr Priorität vor den privaten Mobilitätsbedürfnissen hat. Durch Verbesserung der Durchgängigkeit der Systeme werden auch die Steigerungsraten der in Anspruch genommenen Infrastruktur von der Transportleistung zunehmend entkoppelt. Über die Notwendigkeit und Rolle des optimierten Verkehrs wird es einen gesellschaftspolitisch ausgewogenen Konsens geben. Das Interview mit Friedrich Macher erscheint in Kooperation und mit freundlicher Genehmigung von SOCIETY Magazin, herausgegeben von Mag. Gertrud Tauchhammer. www.logistik-express.at LOGISTIK express 2|2008 9

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