JOB & KARRIERE Frauenpower in der Logistik Es gibt sie doch – erfolgreiche Frauen in Führungspositionen einer (vermeintlichen) Männerdomäne. Nicht ganz so beschwerlich wie die Suche nach dem goldenen Kind, aber ebenso lohnend, wenn man sich dann mit einer Persönlichkeit wie Beate Färber-Venz unterhalten darf. BEATE FÄRBER-VENZ Beate Färber-Venz hat 1990 in das 1946 gegründete Familienunternehmen Venz Logistik eingeheiratet, wo sie für das Finanz- und Rechnungswesen zuständig war. Was sich schließlich als großer Vorteil herausstellte, als sie nach dem Tod des Seniorchefs und dem Austritt des Geschäftsführers die Wahl hatte, das Unternehmen zu übernehmen, oder es zu schließen. „Das Unternehmen war in keinem guten Zustand, aber ich sah das Potenzial und kannte die Geschichte und den Lebensweg des Unternehmens. Ich habe gründlich überlegt und auch meine drei Kinder in die Entscheidung mit einbezogen, denn eines war klar: mit der Übernahme der Geschäftsführung würden sich mein Leben und vor allem mein Zeitmanagement gewaltig ändern. Aber eine Schließung wäre eine Vergeudung von Ressourcen gewesen.“ So übernahm sie 2009 das Ruder und verkleinerte gleich um die Hälfte: der Umfang des Fuhrparks wurde auf 8 LKW reduziert, um sich im (damals besonders) schwierigen Marktumfeld auf das Wesentliche zu reduzieren und alle Verlustbringer auszuscheiden. „Auch von den Mitarbeitern habe ich nur jene behalten, die an eine Zukunft geglaubt und mich unterstützt haben – und die sind auch heute noch hier.“ Heute betreibt Venz Logistik 25 LKW im Lebensmitteltransport, im kombinierten Verkehr und im Verteilerverkehr. Stichwort: Entscheidung Aus heutiger Sicht war die Entscheidung, das Unternehmen zu schrumpfen, goldrichtig. „Auch wenn es manchmal schwer fällt: besser eine Fehlentscheidung und diese durchkämpfen als gar keine Entscheidung. Das Schlimmste, was in einem Unternehmen passieren kann, ist ein Führungsvakuum. Also lieber alle gemeinsam in die einen Umweg machen, als jeder läuft woanders hin – denn dann kommt man nie ans Ziel.“ Dass man als Frau an der Spitze eines bis dahin rein männergeführten Transportunternehmens anfangs nicht gleich ernst genommen wird, hat sie am eigenen Leib erfahren müssen. „Die Akzeptanz war schwierig, einige Kunden haben abgewartet um zu sehen, ob ich das überhaupt packe. Aber heute werde ich überall mit offenen Armen empfangen“, erinnert sie sich zurück. Und fügt bestimmt hinzu: „Ich möchte gerne nur mit jenen Unternehmen zusammenarbeiten, zu deren Unternehmenskultur unsere Philosophie passt“ Das gewisse Etwas Worin liegt nun der Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau, wenn es um die Führung eines Unternehmens geht? „Es ist unsere besondere Sensorik für jene Dinge, die nicht auf dem Papier stehen, für die Zwischentöne“, erklärt sie. „Beispielsweise bei der Mitarbeiterführung: Frauen haben ein Gespür dafür, zu erkennen, wie die Stimmung ist, und wo ein Problem liegt – und scheuen sich nicht, das auch auf emotionaler Ebene anzusprechen. Oder wenn es darum geht, sich in einen Kunden hineinzuversetzen – was würde ich an der Stelle des Kunden in der Situation von mir erwarten?“ Echte Kooperationen mit Kunden, die offen ihre Wünsche und Anregungen formulieren, um gemeinsam das optimale Ergebnis zu erreichen, ist ihr Ziel. „Ich möchte die Dienstleistung so weit übernehmen, dass der Kunde sich beruhigt auf sein Kerngeschäft konzentrieren kann, das ist mehr als der Transport von A nach B. Dieses kleine Bisschen mehr an Dienstleistung macht den Unterschied aus“, ist sie überzeugt. Und sonst? „Ich glaube, dass wir Frauen höhere Anforderungen an uns selbst stellen, damit das Ergebnis auch zu 100 % passt. Diesen Perfektionismus haben nicht viele Männer. Wenn ich beispielsweise bei einer Abrechnung etwas wissen möchte, gehe ich bis ins kleinste Detail, egal wie lange es dauert. Wenn ich die Antwort gefunden habe, geht es mir besser. Das ist mir lieber als fernsehen!“ Frauenquote? Von einer vorgeschriebenen Frauenquote hält sie wenig, schlägt dafür eine „Blindverkostung“ vor: „Bewerbungen sollten anonymisiert, Lebensläufe geschlechtsneutral formuliert sein. Denn dann zählt rein die Qualifikation, und um genau diese geht es doch! Eine Position nur zu bekommen, weil man eine Frau ist, aber nicht über ausreichende Kenntnisse zu verfügen, bringt nur Nachteile für alle Beteiligten. Das Problem liegt in den Köpfen der Menschen, die Bereitschaft, Frauen in allen Positionen zuzulassen, muss intrinsisch entstehen, sonst funktioniert es nicht.“ Allerdings müsse den Frauen auch die Freiheit gegeben werden, selbst zu entscheiden, ob sie überhaupt in eine Führungsrolle schlüpfen wollen, denn die Luft „da oben“ ist dünn. „Männer an der Spitze haben Frauen, die ihnen den Rücken freihalten. Aber wen hat eine Frau?“ Oft fällt dabei die Wahl zwischen Kind oder Karriere. „Es sollte nach der Rückkehr aus der Kinderpause eine Übergangszeit im Unternehmen geben, wo die Frauen Gelegenheit haben, das Versäumte nachzuholen, etwa durch berufsbegleitende Weiterbildung, um dann weiter die Karriereleiter zu erklimmen“; schlägt sie vor. Denn eines weiß sie gewiss: „Wir Frauen können, wenn man uns lässt. Denn jeder, der einen Haushalt führt, weiß, was Logistik ist.“ Wo sie Recht hat, hat sie Recht. (AG) Redaktion: Angelika Gabor INDEX Venz Logistik www.venz.at 46 LOGISTIK express 1|2015 LOGISTIK express 1|2015 47
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