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LE-1-2012

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LOGISTIK express Fachzeitschrift

NAchGEFRAGT Welcher

NAchGEFRAGT Welcher Schuh passt? Warum entscheidet sich ein Verlader für einen bestimmten Hafen oder einen bestimmten Verkehrsträger? Für das international tätige Einzelhandelsunternehmen Deichmann haben Effizienz und Umweltfreundlichkeit oberste Priorität. Eine enge digitale Verknüpfung mit den Transport- und Logistikdienstleistern ist außerdem ein Muss. Redaktion: URSULA SCHMELING Im von Verdrängungswettbewerb geprägten Schuhmarkt wächst das deutsche Familienunternehmen Deichmann profitabel, kontinuierlich und seit 20 Jahren rein organisch. In 22 Ländern in Europa und Nordamerika handelt es mit Schuhen und Sportbedarf. 25 Firmen unter verschiedenen Markennamen sowie 3.175 Einzelhandelsgeschäfte, darunter auch Schuh- und Sportgeschäfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz, gehören zum Konzern. 2011 verkaufte Deichmann u.a. rund 167 Millionen Paar Schuhe. Wie viele Familienunternehmen pflegt Deichmann eine konservative Firmenpolitik. Das Supply-Chain-Management liegt fest in eigenen Händen. Die Lieferketten werden von der firmeneigenen Software gesteuert. In der Kommunikation mit den Lieferanten setzt Deichmann auf ein Webportal, in Europa auf EDI-Verbindungen. „Bei vielen unserer asiatischen Lieferanten fehlen die Voraussetzungen für eine EDI-Kommunikation“, erläuterte Karsten Schütt, Geschäftsführender Direktor der Deichmann SE, Essen, anlässlich des 15. SSC Seefrachtseminars in Interlaken (Schweiz) Ende Januar. Die von Deichmann angebotenen Handelswaren werden zum größten Teil in Fernost produziert und auf FOB- respektive FCA-Basis eingekauft. Sobald der Hersteller lieferbereit ist, meldet er seine Sendung über das Webportal bei einem von Deichmann ausgewählten Consolidator an und ruft die notwendigen Barcodes für die Verpackung ab. Deichmann organisiert dann den Schiffstransport, unter Berücksichtigung von Kosteneinsparungen durch Slow-Steaming, und den Weitertransport zu regionalen Distributionszentren bzw. die Feinverteilung zu den Einzelhandelsgeschäften. In-House statt Outsourcing ist die Firmendevise. Wichtigster Empfangshafen in Europa ist Hamburg. „Aus geografischen und strategischen Gründen versorgen wir via Hamburg unsere Distributionszentren in Soltau (südlich von Hamburg), Wolfen (Ostdeutschland), Feuchtwangen (Süddeutschland), Luterbach (Schweiz) und Dunajska Streda (Slowakei). Hamburg verfügt über die beste Verkehrsinfrastruktur aller nordeuropäischen Großhäfen, zumindest was die Bahnanbindung betrifft. Von Soltau aus bedienen wir unsere Geschäfte in Norddeutschland und Skandinavien, von Wolfen Ostdeutschland, Polen und Litauen, von Feuchtwangen Süddeutschland, Kroatien, Serbien und Italien, von Luterbach die gesamte Schweiz und von Dunajska Streda Mittel- und Südosteuropa (Österreich, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Rumänien und Bulgarien). Via Rotterdam wird die Ware für die Distributionszentren in Bottrop (Westdeutschland) und Vlijmen (Niederlande) importiert. Via Bottrop versorgen wir die iberische Halbinsel und die Türkei und bedienen Kunden unseres Internethandels. Darüber hinaus unterhalten wir ein kleines Lager in Großbritannien. 2011 wurden rund 146 Millionen Paar Schuhe durch die acht Deichmann-Distributionszentren in Europa geschleust“, erläuterte Schütt. Umweltfreundlich, effizient per Bahn Wolfen, Feuchtwangen, Luterbach und Dunajska Streda werden effizient per Bahn beliefert. Für die ersten drei heißt der Partner TFG Transfracht (eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn und des Hamburger Hafenunternehmens HHLA, für Dunajska Streda Metrans (ebenfalls eine Tochter von DB und HHLA, mit Fokus Tschechei und Slowakei). Über die Jahre hat sich eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Deichmann und den Bahnoperateuren in Hamburg entwickelt. Bis zu einem halbem Jahr im Voraus erhalten sie eine erste Prognose der zu erwartenden Transportmengen. Diese Zahlen werden kontinuierlich aktualisiert. Ursula Schmeling „Dieses System gibt uns ein hohes Maß an Planbarkeit“, erklärte Gerhard Oswald, Geschäftsführer der TFG Transfracht GmbH & Co, KG, Frankfurt/Main. „Anhand der übermittelten Daten können wir termingerecht und in der gewünschten Größe die Transportkapazitäten für diesen wichtigen Kunden am Terminal bereit stellen. Deichmann wiederum profitiert von einer hohen Zuverlässigkeit und Servicequalität. Außerdem können wir durch Veränderungen der Abfahrtsfrequenzen flexibel auf Mengenschwankungen im Jahresverlauf reagieren. Der intermodale Verkehr bietet Deichmann ein sehr gutes Preis-/ Leistungsverhältnis und durch die E-Traktion eine sehr umweltschonende Lösung. Seit Anfang des Jahres stellen wir zudem unseren Kunden auf Wunsch eine – auf Grundlage eines durch den TÜV Süd geprüften Verfahrens – Bescheinigung aus, wie viele CO2-freie Transporte durchgeführt wurden“, so Gerhard Oswald. TFG Transfracht befördert über 10.000 TEU/Jahr für Deichmann. Wenn der Container im Hafen gelöscht ist, ist die Ware auch bereits verzollt bzw. wurde für Container mit Destination Schweiz bereits ein T1 zur Verzollung in der Schweiz ausgestellt. So können die Schuhe sofort weiter transportiert werden. Ab den Distributionszentren liegt die Feinverteilung in den Händen von ausgesuchten Spediteuren. Auch diese wählt Deichmann selbst aus. Und auch hier achtet Deichmann auf eine Priorisierung der Bahn bzw. eine Ausstattung mit schadstoffarmen LKW. Aufgrund elektronischer Benachrichtigungen durch das SCM-System wissen auch die Trucker schon im Voraus, welche Mengen wohin zu transportieren sind. „Sicherlich bietet unser SCM noch Optimierungsmöglichkeiten“, meinte Schütt. „Aber wir sind schon ziemlich effizient.“. (US) FOTO: ISTOCKPHOTO.COM 42 LOGISTIK express Ausgabe 1/2012 www.logistik-express.com

Wie sieht unsere Zukunft aus? NACHGEFRAGT Die DHL veröffentlichte eine Zukunftsstudie mit fünf Szenarien, wie die Logistik im Jahr 2050 aussehen könnte. Und wir fragten einen Experten, was er davon hält. Redaktion: Angelika Thaler Die von der Deutsche Post DHL in Auftrag gegebene Szenariostudie „Delivering Tomorrow: Logistik 2050“ zeichnet fünf durchaus unterschiedliche Zukunftsbilder und ihre Folgen für Handel und Wirtschaft auf, die auf Einschätzungen und Prognosen von 42 Experten verschiedener Fachrichtungen basiert. Berücksichtigt wurden dabei Einflussfaktoren wie Handels- und Komsummuster, Technologie, der Klimawandel und Vieles mehr. Das Ergebnis sind besagte fünf Modelle, die alle äußerst unterschiedliche Herausforderungen für die Logistikdienstleister bergen. Logistik express unterhielt sich darüber mit Univ. Prof. Dr. Sebastian Kummer, Vorstand des Institutes für Transportwirtschaft und Logistik, WU Wien, sowie Direktor der europäischen Sektion des MIT Forum Supply Chain Innovation. Szenario 1: Zügelloses Wachstum – drohender Kollaps: Geprägt vom allgegenwärtigen Massenkonsum werden natürliche Ressourcen weltweit ungehemmt ausgebeutet, was den Klimawandel anheizt. Starkes Wachstum steigert die Nachfrage nach Logistik- und Transportleistungen, dank globalem Netz ist rascher Güteraustausch möglich, allerdings unter erschwerten Bedingungen (Naturkatastrophen). Kummer: „Das ist ein neoliberales Antiszenario, einfach eine Fortschreibung der letzten Jahre.“ Szenario 2: Megaeffizienz in Megastädten: Megacities als zentrale Kraftzentren sind Haupttreiber des Paradigmenwechsels hin zu grünem Wachstum. Kooperationen und Robotertechnik sind die Lösung der Verkehrsprobleme, Produkte werden gemietet statt gekauft und Mega-Transportmittel sowie Raumtransporter verbinden diese Megastädte. Die Logistik übernimmt die Steuerung. Szenario 3: Individualisierte Lebensstile: Individualisierung und personalisierter Konsum prägen den Alltag, wobei Konsumenten ihre Produkte selbst erfinden und mittels 3D- Druckern auch selbst herstellen. Lediglich die Rohstoffe und Daten werden noch transportiert, Energie- und Infrastruktursysteme funktionieren dezentral. Logistikdienstleister organisieren physische Wertschöpfungsketten und Datenströme. Wichtig sind regionale Logistikressourcen. Kummer: „Das ist kein Zukunftsszenario. Diese Drucker gibt es heute schon, etwa in Architekturbüros, aber nur für Formen – nicht für Funktionen. Daher wird das nie ein nennenswerter Hebel für die Logistik- und Transportbranche sein.“ Sebastian Kummer Szenario 4: Lähmender Protektionismus: Die Globalisierung wurde umgekehrt, die technologische Entwicklung stagniert, hohe Energiepreise und Ressourcenverknappung sorgen für Konflikte. Regionalisierte Lieferketten sind die Herausforderung für die Logistiker, für die Regierungen ist die Branche ein strategischer Wirtschaftszweig. Kummer: „Das ist ein weiteres Antiszenario, aber sicher keine Offenbarung.“ Szenario 5: Globale Widerstandsfähigkeit – lokale Anpassung: Die automatisierte Produktion hat den Konsum zunächst angekurbelt. Gehäufte Naturkatastrophen aufgrund des Klimawandels stören jedoch die straffen Produktionsstrukturen und bedingen Lieferengpässe. Hauptherausforderung: Stabilisierung der Strukturen im Zeichen von redundanten Produktionssystemen und regionalisierten Lieferketten. Logistikanbieter gewährleisten die Versorgungssicherheit auch dank starker Reserveinfrastruktur. Statt Just-in- time- Lieferprozessen herrschen riesige Lager nahe der Produktionsstätten als Puffer vor. Kummer: „Hier haben wir ein Positivszenario, alle arbeiten zusammen. Fragt man Forscher anderer Sparten mit Logistik-Halbwissen nach ihrer Prognose, erhält man als Antwort: die Abkehr von JIT. Dabei ist das auch heute nur eine von vielen Varianten.“ Kummers Fazit: Die Zukunft, sagte Karl Kraus, ist auch nicht mehr das, was sie einmal war – und er sollte damit leider allzu Recht behalten. Diese DHL-Studie zitiert zu Beginn Oscar Wilde: „To expect the unexpected shows a thoroughly modern intellect.” Wenn man allerdings beim Durchlesen etwas Unerwartetes erwartet, wird man eher enttäuscht sein. Wahrscheinlich ist sich DHL selber nicht sicher, ob man mit modernem Intellekt bei Logistikern punkten kann. Jedenfalls hat man mit viel Geld viele Namen eingekauft und viele Trends im Bereich Logistik/Supply Chain Management zusammengetragen. Allerdings lesen sich die Szenarien wie eine Ansammlung von dem, was in der Logistik allgemein diskutiert wird. Von CO2, über Megacities bis zur Sicherheit ist alles dabei. Aber Achtung, neben Plattitüden wie z.B. „Das robuste Wachstum der Weltwirtschaft und des Welthandels führt zu einem massiven Anstieg der Nachfrage nach Logistik und Transportleistungen …“, finden sich auch offensichtlich falsche Einschätzungen. So formulieren die Autoren „Auf dem Meeresboden wird nach seltenen Erden gegraben“, wobei jeder, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, weiß, dass die Herausforderung der „seltenen Erden“ nicht ist, dass diese selten auf der Erde vorkommen – sie gibt es relativ häufig – sondern dass die notwendigen, sehr anspruchsvollen Supply Chains und die industrielle Basis zur Verarbeitung dafür in nahezu allen Ländern außer China fehlen. Als Anregungen sind in jedem Szenario Implikationen für die Logistikindustrie enthalten, „unexpected“ sind diese jedoch für den informierten Leser kaum. Beim Lesen stört ein wenig, dass es nicht gelingt, neue Perspektiven aufzuzeigen, geschweige denn ein ganzheitliches Bild zu schaffen. Aber auch das hat was Positives, als moderne Intellektuelle können wir auch nach Studium der Studie davon ausgehen, dass wir bezüglich der Zukunft mit etwas Unerwartetem rechnen müssen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich so entwickeln wird, wie beschrieben, ist wohl eher gering. Und Szenario 6? Kummer: „Ich sehe die Zukunft positiv. Wir schaffen es, in den nächsten 30 Jahren eine funktionierende global governance aufzubauen, die Macht wird gleichmäßig global verteilt sein. Im Bereich der Logistik wird es eine Differenzierung geben, alternative Antriebe in den Städten für die Feinverteilung, z.B. auch über Röhren- oder Tunnelsysteme. Im Fernverkehr wird Wasserstofftechnologie Dieselmotoren ablösen. Die Bahn wird bis zu 30 Prozent Marktanteil am Güterverkehr haben, mehr Kapazitäten gibt es nicht. In Österreich hoffe ich auf bessere Verbindungen mit dem Umfeld, eine Breitspur nach Russland und den Ausbau der Mittelmeerhäfen.“ (AT) www.logistik-express.com LOGISTIK express Ausgabe 1/2012 43

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