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LE-1-2012

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LOGISTIK express Fachzeitschrift

UMWELT & TECHNIK

UMWELT & TECHNIK Klimaschutz in Österreich – warum haben wir versagt? Leugnen und Schönreden helfen nicht, Österreich wird das Kyotoziel meilenweit verfehlen. Die milderen EU-Reduktionsziele könnten wir noch schaffen, aber dazu sind schleunigst mutige Gesetze und harte Maßnahmen nötig. Bislang fehlte scheinbar die Ernsthaftigkeit, oder waren einfach die Lobbys mancher Interessensgruppen zu stark? Redaktion: ANGELIKA THALER Stephan Schwarzer Leiter, Abteilung Umwelt- und Energie WKÖ Als das 1997 ausverhandelte Kyoto-Protokoll am 16. Februar 2005 endlich in Kraft trat, waren wohl noch alle guter Hoffnung, die völkerrechtlich vereinbarten Zielvorgaben – Reduktion des jährlichen Treibhausgas- Ausstoßes der Industrieländer um durchschnittlich 5,2 Prozent im Vergleich zu 1990 – zu schaffen. Und das in der ersten Verpflichtungsperiode von 2008 bis 2012. Immerhin haben 193 Staaten unterzeichnet, wenn auch Kanada am 13. Dezember 2011 wieder aus dem Abkommen ausstieg. Zu hoch wären die Strafzahlungen für die Überschreitung gewesen! Für das EU-Mitglied Österreich ist so ein Ausstieg übrigens keine Option, da die EU als Ganzes ebenfalls dem Abkommen beigetreten ist. Wir werden also in den sauren Apfel beißen und Emissions-Zertifikate zukaufen müssen, denn darum handelt es sich bei den in letzter Zeit häufig erwähnten „Strafzahlungen“. Österreichs Misere Lange brüsteten sich Österreichs Politiker damit, dass wir eine Öko-Vorzeigenation, ein Vorreiter und glänzendes Beispiel in Sachen Umweltschutz seien. Für manche Bereiche mag dies durchaus zutreffen, aber leider nicht, was den Klimaschutz anbelangt. Möglicherweise war es aber genau dieses Gefühl, das dazu führte, dass Österreich sich auf besonders ambitionierte Zielvorgaben festnageln ließ: „Unsere Ziele waren sehr streng und vor allem unreflektiert, das ist ein wesentlicher Grund dafür, warum sie uns nun auf den Kopf fallen“, ärgert sich Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der WKÖ. Österreich hat sich nämlich verpflichtet, stolze 13 Prozent der relevanten Treibhausgase (Kohlenstoffdioxid CO2, Methan CH4, Distickstoffoxid N2O, teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe H-FKW/ HFCs, perfluorierte Kohlenwasserstoffe FKW/ PFCs sowie Schwefelhexafluorid SF6, Anm.) einzusparen. Zum Vergleich: für Kanada wären es 6 Prozent Reduktion gewesen, für Frankreich 0 Prozent und Spanien darf den Ausstoß sogar um 15 Prozent steigern. Unser Nachbar Deutschland verpflichtete sich sogar zu 21 Prozent Einsparung, doch bedingt durch den raschen Ausbau erneuerbarer Energien konnten diese Werte zumindest bis 2010 erreicht werden. Was machen wir also falsch? „In einigen Bereichen, wie etwa bei der Gebäudesanierung, sind wir auf der Stelle getreten. Das Ziel war eine Sanierungsquote von drei Prozent jährlich, und wir liegen noch immer bei dem einen Prozent, das wir vor dem Kyotoprotokoll schon hatten“, nennt Schwarzer ein Beispiel. Zwar wären die technischen Voraussetzungen gegeben und die Gebäudeemission ein Punkt in der Klimastrategie, allerdings habe es an Maßnahmen gefehlt. „Sanierung ist teuer. Nun gab es zwar ab 2009 mit Ausnahme von 2010 eine Bundesaktion mit einem Fördertopf von 100 Millionen Euro, gleichzeitig haben aber die Länder ihr Förderbudget gekürzt“, erklärt er. Teurer Emissionshandel Jene Länder, die weniger Schadstoffe ausstoßen als sie laut Vereinbarung dürften, können diesen „Polster“ in Form von Emissionsreduktionseinheiten (Zertifikaten) an „Klimasünder“ wir uns verkaufen. In der Vergangenheit hat Österreich bereits Zertifikate im Ausmaß von 45 Millionen Tonnen CO2 um rund 500 Millionen Euro erworben. Weitere 30 Millionen Tonnen CO2 warten auf Kompensation. „Bislang hat das Umweltministerium doktrinär die teuersten Zertifikate zugekauft, um sicherzustellen, dass das Geld zweckgebunden in den Klimaschutz des Verkaufslandes fließt. Aufgrund der Marktentwicklung ist der Preis aller Zertifikatsarten zurückgegangen, FOTO: ISTOCKPHOTO.COM 22 LOGISTIK express Ausgabe 1/2012 www.logistik-express.com

UMWELT & TECHNIK To-do-Liste Was fehlt, sind eine Klimaschutzstrategie, die auch umgesetzt wird, ein funktionierendes und gerechtes Ökostromgesetz und vor allem eine Durchdringung des Klimaschutzund wir können ruhig billigere kaufen, wo trotzdem was für die Umwelt getan wird. Mit anderen Worten: Wir haben den Rolls-Royce gekauft, aber der VW hätt‘s auch getan“, verdeutlicht Schwarzer. Seiner Meinung nach wäre es durchaus sinnvoll, bereits jetzt mit dem Zukauf anzufangen und gleichzeitig für einen Rückfluss der Gelder zu sorgen: „Wenn wir jetzt zu unseren Nachbarn mit dicken Emissions-Polstern wie Ungarn gehen und deren nationale Umweltschutzprogramme im Austausch gegen Zertifikate unterstützen, beispielsweise durch Gebäudesanierung oder die Installation von Solaranlagen, fördern wir gleichzeitig unseren heimischen Exportmarkt.“ Lichtblicke Kleine Schritte in die richtige Richtung ortet O.Univ.Prof. Dr.phil. Helga Kromp-Kolb, Leiterin des Instituts für Meteorologie und des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur Wien: „Auf der Gemeindeebene zeichnet sich ein Umdenken ab, insbesondere in den 60 Modellregionen sieht man Bewegung, die mich Hoffnung schöpfen lässt. Auch einige Firmen – wie etwa Zotter oder Gugler – agieren klimafreundlich, und das aus freien Stücken heraus.“ Damit seien diese den Bemühungen auf Bundesebene weit voraus: „Große österreichische Firmen, wie die OMV oder auch die Automobilindustrie, stehen in Sachen Klimaschutz auf der Bremse, und kein Politiker möchte sich wirklich mit denen Anlegen“, bedauert sie, „dabei wäre gerade jetzt ein idealer Zeitpunkt für Ökosteuern.“ International gäbe es genug Ideen für ökologische Steuern mit Lenkungseffekt, die nicht hELGA KROMP-KoLB Klimaforscherin die sozial Schwachen treffen. Beispielsweise vom Klimaforscher James Hansen, der folgerichtig feststellte: „Solange fossile Brennstoffe die billigste Energiequelle bleiben, wird es jemanden geben, der sie verbrennt.“ Sein Modell sieht vor, fossile Brennstoffe so nahe bei der Quelle zu besteuern wie möglich (Förderstelle, Landesgrenze,...) und die Einnahmen gleichmäßig unter der Bevölkerung zu verteilen. Diejenigen, die viel verbrauchen, bezahlen dann mehr für die Ressourcen, da die Energiekonzerne die Steuer weitergeben. Diejenigen, die aber wenig verbrauchen, bekommen unterm Strich mehr zurück. „Natürlich kann man das dann noch sozial abfedern, für Härtefälle, die sich beispielsweise keine gut gedämmte Wohnung oder neue Heizungsanlage leisten können“, fügt Kromp-Kolb hinzu. Positiv zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass die Förderung alternativer Energien aus Wasser, Sonne und Wind stark zunimmt. „Als Puffer würde ich Gaskraftwerke vorschlagen, wenn Sonne und Wind ausbleiben“, meint Schwarzer. gedankens in allen Ressorts und Gesetzen. Kromp-Kolb: „Ich vermisse eine grundlegende Strukturveränderung. Wir dürfen auf der Suche nach Alternativen nicht noch mehr unkonventionelles Gas (Schiefergasfund im Waldviertel, Anm.) nutzen. Studien zeigen, dass bereits ein Verbrennen der weltweiten konventionellen Öl- und Gasvorräte (ohne Kohle!) zur kritischen 2-Prozent-Sättigung der Atmosphäre führen wird, über der die sich selbst verstärkenden Prozesse des Klimawandels unumkehrbar sind. Manche Forscher legen die Grenze sogar bei 1,5 Prozent fest.“ Klar ist, so wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen: „Mit den aktuellen Spielregeln lassen sich nicht die Probleme lösen, die bei genau diesen Spielregeln entstanden sind“, mahnt Kromp-Kolb. Im Hinblick auf die Kyoto-Ziele müssten wir „sämtliche Emissionen heute komplett einstellen, um sie noch zu erreichen, und das ist schlichtweg unmöglich“, weiß auch Schwarzer. Aber es sind Einsparungen denkbar: „Bei großen Industriebetrieben sind mit bekannten Technologien ökonomisch sinnvoll drei bis sechs Prozent Energieeinsparung möglich, bei mittleren fünf bis 15 Prozent“, glaubt Schwarzer. Zudem ist er davon überzeugt, dass beim PKW innerhalb der kommenden 10 Jahre ein Drittel Verbrauchs- Reduktion realistisch ist. Kopfzerbrechen bereitet ihm allerdings der Güterverkehr: „Die Verlagerung von Transporten auf die Schiene wird schwieriger, da die ÖBB nur noch die Hauptstrecken bedienen, die Laufzeiten zu lang sind und Verladeterminals weniger statt mehr werden“, bedauert er. (AT) Treffpunkt der Märkte – Wegweisend für Macher ERSTE FACHMESSE FÜR INTERNATIONALES TRANSPORT- UND LOGISTIK-MANAGEMENT 12. – 14. Juni 2012 Messe Hamburg, Deutschland Jetzt unter www.transfairlog.com Infos anfordern! Veranstalter: EUROEXPO Messe- und Kongress-GmbH Tel.: +49 (0)89 32391-241 Fax: +49 (0)89 32391-246 E-Mail: transfairlog@euroexpo.de Internet: www.transfairlog.com www.logistik-express.com LOGISTIK express Ausgabe 1/2012 23

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