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LE-1-2010

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LOGISTIK express ZEITSCHRIFT EPAPER

UMWELT Um es mit den

UMWELT Um es mit den Worten eines österreichischen Liedermachers zu beschreiben: „Alles ist möglich, aber nix is fix“ (Rainhard Fendrich, 1991) – genau so könnte man grob die Ergebnisse der Klimakonferenz zusammenfassen. Gut, es kam zu einer politischen Absichtserklärung – der „Copenhagen Accord“ – aber diese wurde aufgrund der Proteste einiger Entwicklungsländer lediglich zur Kenntnis genommen, und damit eine große Chance vertan. Allerdings gehen die Meinungen, ob dieses Treffen nun als Erfolg oder als Misserfolg gesehen werden sollte, weit auseinander. Top oder Flop? „Es geht zu weit, überhaupt von einem Ergebnis zu sprechen. Das einzig Positive ist die Vereinbarung, weiter zu verhandeln, so gesehen muss man Kopenhagen als vertane Chance abhaken“, zeigt sich Dipl.-Ing. Dr. Franz Fischler, Präsident des Ökosozialen Forums, enttäuscht. Dem widerspricht DI Günther Lichtblau, Abteilungsleiter Verkehr & Lärm des Umweltbundesamtes: „Ein bei der Konferenz anwesender Klimaverhandler aus unserem Hause sah nach seiner Rückkehr aus Kopenhagen durchaus auch Positives, das Problem ist nur, dass die Erwartungshaltung bezüglich verbindlicher Ziele viel zu hoch war. Das politische Commitment zum 2-Grad-Ziel ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“ „Das politische Commitment zum 2-Grad-Ziel ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“ Günther Lichtblau Unser Klima geht uns alle an! Von 7. bis 18. Dezember 2009 fand im dänischen Kopenhagen die UN- Klimakonferenz statt. Hochfliegende Erwartungen im Vorfeld des Treffens erreichten am Ende unsanft wieder den Boden der Tatsachen. Doch war die Konferenz wirklich reine Zeitverschwendung? Und wie geht es jetzt weiter, welche Maßnahmen sind zu treffen? Dazu hat Logistik express einige Experten befragt. Redaktion: aNGELIKA THALER Schwierige Ausgangslage Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen hatten die Teilnehmerstaaten auch sehr unterschiedliche Verhandlungsziele. Der Auftritt des amerikanischen Präsidenten beispielsweise galt im Vorfeld fast als Schlüssel zum Erfolg, jedoch fand zeitgleich zur Konferenz die Senatsdebatte über das amerikanische Klimaschutzgesetz statt, und der wollte Barack Obama keinesfalls vorgreifen. Bislang von den Reduktionsverpflichtungen nicht betroffene Staaten mit großem Wirtschaftswachstum wie Indien und die Volksrepublik China strebten die Fortschreibung des Kyoto-Protokolls an, ohne selbst verbindliche Zugeständnisse machen zu wol- len. Lichtblau: „Erstmals saßen viele Schwellen- und Entwicklungsländer sowie alle großen Player mit am Verhandlungstisch, das ist in meinen Augen ein wichtiger Startpunkt.“ „Es ist äußerst schwierig, ein Abkommen zu erzielen, mit dem sämtliche Länder dieser Erde einverstanden sind“, weiß auch Fischler, „aber nur damit ist ein Erfolg denkbar. Eine solche Übereinkunft muss so gestaltet werden, dass die dadurch entstehenden Lasten vernünftig verteilt werden und ein Vorteil für alle entsteht.“ Die Schuld an dem wenig zufriedenstellenden Ausgang der Verhandlungen gibt er teilweise den Organisatoren, und hofft, dass die nächste Konferenz in Mexiko, Interview mit FRANZ FISCHLER Geschäftsführer Ökosoziales Forum die vom 29. November bis 10. Dezember in Cancún stattfinden wird, besser vorbereitet wird. Ergebnisse im Detail Der vielfach als „Minimalkonsens“ titulierte Copenhagen Accord bezeichnet ein völker- FOTO: ISTOCKPHOTO.COM 6 LOGISTIK express 1|2010 www.logistik-express.com

UMWELT rechtlich leider nicht bindendes politisches Papier, wenngleich es jedem Mitgliedsstaat der Klimarahmenkonvention frei steht, ihn zu unterzeichnen. Darin enthalten ist das Ziel, die anthropogene (von Menschen verursachte, Anm.) Erderwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. „Das ist ein sehr „Ein wichtiger Faktor beim Thema Klimaschutz ist der Technologietranser.“ Franz fischler ambitioniertes Ziel, dem die wissenschaftliche Meinung zu Grunde liegt, dass es bis zu dieser Grenze noch keine katastrophalen Auswirkungen gibt. In Österreich liegt die durchschnittliche Erwärmung bereits heute bei 1,7 Grad“, gibt Lichtblau zu bedenken. Um das Ziel zu erreichen, seien Einsparungen der Treibhausgasemissionen von bis zu 80 Prozent nötig: „Die Frage darf nicht lauten, „Ist das realistisch?“, sondern „Wie schaffen wir das?“ Was dem Abkommen jedoch eindeutig fehlt, sind konkrete Zielvorgaben zur Verringerung sowie ein Schlüssel, welches Land wie viel einsparen muss – bislang gibt es nur Selbstverpflichtungen. In Rücksichtnahme auf Entwicklungsländer wurde zudem festgehalten, dass in diesen die soziale und ökonomische Entwicklung Vorrang vor dem Klimaschutz hat, wodurch erst zu einem späteren Zeitpunkt Reduktionen nötig sind. Natürlich sind die dringend nötigen massiven Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgase mit hohen Kosten verbunden. Für die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels sowie für die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels in armen Ländern stehen im Zeitraum 2010 bis 2012 30 Milliarden US-Dollar zur Verfügung, bis 2020 sogar 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Die Verteilung wird hauptsächlich der neue “Copenhagen Green Climate Fund” übernehmen. Maßnahmen setzen Um das gesetzte 2-Grad-Ziel zu erreichen, sind enorme Einsparungen nötig, für die ein ganzes Bündel an Maßnahmen gesetzt werden muss. Eine davon ist die Schaffung eines weltweit harmonisierten Zertifikat-Handelssystems. „CO2 muss einen weltweit gültigen Preis haben“, stellt Lichtblau fest. „Das Problem bei den Zertifikaten ist die gerechte und sinnvolle Zuteilung – und wer bestimmt, wie viele es insgesamt davon gibt?“, gibt Fischler zu bedenken, erkennt aber gleichzeitig großes Potenzial: „Wenn die Entwicklungsländer Zertifikate erhalten, die sie nicht brauchen, können sie diese verkaufen und damit ihre Weiterentwicklung zum Teil finanzieren.“ „Die Zuteilung der Zertifikate erfolgt anhand eines Entwicklungsplans“, erklärt Lichtblau. Obwohl die aktuellen EU-Klimaschutzziele, deren Einsparungsvorgaben auf den Werten aus 2005 basieren, Österreich entgegen kommen, wird Österreich laut Lichtblau bis zum Jahr 2020 für voraussichtlich 45 Millionen Tonnen CO2 Zertifikate zukaufen müssen. „Wir haben viel zu spät und viel zu wenig ambitioniert mit der Umsetzung wichtiger Interview mit Günther Lichtblau Abteilungsleiter Verkehr & Lärm Umweltbundesamt GmbH Maßnahmen begonnen“, bedauert Lichtblau, „andere Länder wie Schweden, die Niederlande oder England liegen sehr gut auf Kurs. Dank der anderen politischen Kultur werden die Einsparungspläne einfach rigoros umgesetzt, während bei uns noch diskutiert wird.“ Seiner Meinung nach müsse das zukünftige Wirtschaftssystem auf erneuerbaren Energien aufgebaut werden. „Ein wichtiger Faktor beim Thema Klimaschutz ist auch der Technologietransfer“, meint Fischler, „innovative Technologien wie Kohlesequenzierung oder die Erzeugung von Alternativenergien sind teuer und brauchen Vorlauf, die Frage ist, zu welchen Bedingungen diese an arme Länder weitergegeben werden.“ Großes Einsparpotenzial ortet Fischler auf dem Sektor Energieeffizienz: „Der Althausbestand ist ein Energiefresser! Wir brauchen drei Dinge: eine sofortige Änderung der Bauvorschriften mit der Pflicht zu energiesparender Bauweise, eine Wohnbauförderung, die auf diese Bauvorschriften abgestimmt ist, sowie ein umfassendes Wohnbausanierungsprogramm.“ Bei elektrischer Energie sei es sinnvoll, auf erneuerbare Energieträger umzustellen, das Ökostromgesetz sei ein erster, positiver Schritt. „In der Transportwirtschaft wurde der Fehler gemacht, die negativen Auswirkungen des Tanktourismus nicht zu bedenken“, bemerkt Fischler. Wichtig seien für ihn umfassende Schulungen für energieeffizientes Fahren, sowohl bei PKW- als auch bei LKW-Lenkern. Zum Thema Als der Transport- und Logistikspezialist cargo-partner das Thema Umweltschutz zu einem seiner Unt e r n e h m e n s z i e l e machte, gab es noch Ferdinand Koch nicht Viele, die sich dafür interessierten, doch „Das hat sich seit 2009 geändert, gerade in der Logistik gibt es nun einen starken Fokus auf Umwelt und Nachhaltigkeit“, berichtet Dr. Ferdinand Koch, Executive Director Environmental cargo-partners. Dass in Kopenhagen keine Eckpunkte fixiert wurden, bedaure er sehr, da damit auch die Chance auf Planbarkeit für die Branche vertan sei. „Nichts desto trotz laufen die Brancheninitiativen weiter, inzwischen entwickelt auch die Schifffahrt neue Richtlinien zur Treibhausgaseinsparung“, bleibt Koch positiv. Er sieht aber auch große Herausforderungen für die Zukunft: „Aktuell gibt es kein fixes Standard-Kalkulationsmodell für CO2-Werte, jeder nimmt eine eigene Abschätzung als Grundlage. Dabei wäre das die Grundvoraussetzung für internationale Vergleichbarkeit, und nur so ist fairer Wettbewerb möglich.“ Er hofft daher auf die baldige Entwicklung eines europäischen und/oder internationalen Standards. „Es ist dringend nötig, die Forschung auf dem Gebiet neuer Technologien voranzutreiben. Was hier fehlt, sind allerdings politische Rahmenbedingungen zur Schaffung von Investitionssicherheit“, sieht er die Politik gefordert. Bezüglich LKW glaubt er nicht an Elektrofahrzeuge, sondern rechnet eher mit Wasserstoff oder Brennstoffzellen als Alternativantrieb. „In der Schifffahrt gibt es leider kaum alternative Ideen, maximal Pilotversuche. Allerdings sind auch mit bestehenden Systemen Einsparungen möglich, und wir beauftragen bewusst jene Reedereien, die Energie einsparen“, erzählt Koch. Ein vorrangiges Ziel muss in seinen Augen die Nutzung nachhaltiger Primärenergieträger sein. Koch: „Am Ende des Tages müssen wirtschaftliche und Umweltzielgrößen deckungsgleich sein, damit sich etwas bewegt.“ (AT) www.logistik-express.com LOGISTIK express 1|2010 7

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