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Handelsverband Journal RETAIL 4/2019

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Handelsverband Journal RETAIL 4/2019

— lebensmittel

— lebensmittel lebensmittel Der Schweiz ist es sehr viel Geld wert, dass die Kühe auf der Weide stehen. Ähnlich wie die österreichische Bevölkerung fordern auch die Schweizer von Landwirtschaft, Lebensmittelproduzenten und Handel, dass Tiere und Umwelt in hohem Maß geschützt werden. Durch die direkte Demokratie in der Schweiz kam es beispielsweise zu einer Volksabstimmung, ob gefördert wird, dass Kühe ihre Hörner behalten. Mit überraschendem Ergebnis. 188 Millionen Franken für weidende Kühe Mehr als acht von zehn Schweizer Milchkühen – insgesamt gibt es 570.000 – werden regelmäßig auf die Weide getrieben oder haben ganzjährigen Weidegang. So viele Kühe umfasst das sogenannte Programm „RAUS“. Das steht für „Regelmäßigen Auslauf im Freien“. Da die Schweiz nicht bei der EU ist, verantwortet und finanziert sie ihr eigenes Agrar-Förderprogramm. 188 Millionen Schweizer Franken, umgerechnet gut 170 Millionen Euro, zahlen die Steuerzahler an Bauern, die ihre Kühe gemäß RAUS auf der Weide halten. Sieht man sich die Situation in Österreich an, so ergibt sich beinah das genaue Gegenstück zur Schweiz. Lediglich 15 bis 20 Prozent der heimischen Milchkühe werden Schätzungen von Insidern zufolge regelmäßig geweidet. Genaue Zahlen wie in der Schweiz liegen nicht vor. Auch die Gesamt-Agrarfördersumme in der Schweiz ist erstaunlich. Die Angaben, wie viel die Schweiz an die Landwirtschaft zahlt, schwanken zwischen 2,8 und 3,8 Milliarden Franken. Diese Gelder teilen sich 53.000 Betriebe. Österreich hat mit knapp 160.000 dreimal so viele Bauern wie unser Nachbar. Die öffent - lichen Gelder, mit denen EU, Bund und Länder die Leistungen derselben honorieren, nehmen sich im Vergleich mit der Schweiz relativ bescheiden aus, nämlich rund 1,9 Milliarden Euro. In der Schweiz gibt es immer wieder direkte Volksabstimmungen über landwirtschaftliche Themen. So wollte etwa der 67-jährige Bauer Armin Capaul, dass Bauern, die Kühe mit Hörnern halten, mit einer Gesamtsumme von 15 Millionen Franken gefördert werden. Wie in Österreich werden Kühe aus unterschiedlichen Gründen meist enthornt. Capaul sammelte in kurzer Zeit 120.000 Unterschriften, es kam zur Volksabstimmung. Die Schweizer entschieden sich aber mehrheitlich gegen die Horn-Prämie, 54,7 Prozent lehnten sie ab. Die Schweiz hat im internationalen Vergleich eine High- End- Landwirtschaft, also höhere Tierschutz-, Umwelt- und Sozialstandards als die allermeisten Länder der Welt. Das trifft auch auf Österreich zu. Die hohen Standards in der Schweiz haben wie jene von einigen landwirtschaftlichen Bereichen in Österreich einen Haken. Sie führen neben anderen, etwa topografischen, Gründen dazu, dass die Lebensmittel aus dem Inland preislich mit Importen nicht mithalten können. Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz liegt laut dem Agrarbericht der Eidgenossen nur bei knapp über 50 Prozent. In Österreich halten sich Importe und Exporte ungefähr die Waage, was einen Selbstversorgungsgrad von rund 100 Prozent ergibt, mit Schwankungen von Jahr zu Jahr, etwa bei Ernteerfolgen. Fotos: Land schafft Leben; Shutterstock/FooTToo Peter Fuchs von Land schafft Leben war in der Schweiz und hat einen Blogbeitrag verfasst, der bei der jährlichen Preisverleihung des Internationalen Agrarjournalistenverbandes IFAJ in Minnesota, USA, in der Kategorie Digital mit dem 2. Preis ausgezeichnet wurde. Den Blogbeitrag lesen Sie auf der Webseite www.landschafftleben.at 20 — Dezember 2019

— storys Gentechnikfreies Österreich in Gefahr Lebensmittel. Trotz des eindeutigen EuGH-Urteils vom Juli 2018 befürchtet Gerhard Drexel, Vorstandsvorsitzender der Spar Österreich, dass bald gentechnisch veränderte Lebensmittel ungehindert auf den europäischen Markt gelangen werden. retail: Warum setzen Sie sich so sehr für gentechnikfreie Lebensmittel ein? Gerhard Drexel: Die Gentechnik-freie Lebensmittelproduktion hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Qualitätsfaktor speziell für die österreichische Lebensmittelproduktion etabliert und ist Erfolgsgarant für den Absatz in Österreich, aber auch für den Export heimischer Qualitätsprodukte. Lebensmittel ohne Gentechnik sind ein eindeutiger Konsumentenwunsch, wie eine aktuelle Meinungsumfrage von Marketagent erneut zeigt: Für 85,2 Prozent der Befragten ist Gentechnikfreiheit ein wichtiger Aspekt beim Einkauf. Die europaweit intensiv diskutierten Verfahren der Neuen Gentechnik werden klipp und klar abgelehnt. Sie sollen genauso streng kontrolliert werden wie bisherige Gentechnik (84,1 Prozent), 69,3 Prozent der Befragten wollen derartige Produkte nicht auf dem Markt sehen. Das ist für uns einerseits die Bestätigung für unsere klare Ablehnung von bisheriger Gentechnik und andererseits für nötige strenge Kontrolle der sogenannten Neuen Gentechnik. Der EuGH hat neue gentechnische Verfahren ebenso der Gentechnik- Gesetzgebung unterworfen. Weshalb also die Befürchtungen bezüglich einer Deregulierung? Dieses EuGH-Urteil vom 25.7.2018 gibt wertvolle Rechtssicherheit, da es für die Verfahren der Neuen Gentechnik die gleichen Voraussetzungen verlangt wie für die bisherige: Verankerung des Vorsorgeprinzips, Notwendigkeit einer Risikoabschätzung, Kennzeichnungspflicht. Die damit geschaffene Rechtssicherheit soll aber ausgehöhlt werden: In Brüssel wird aktuell massiv von Saatgutindustrie, Chemiekonzernen, Biotechnologie-Vertretern und sogar Teilen der Landwirtschaftspolitik lobbyiert, um eine generelle Deregulierung der aus 2004 stammenden, bislang sehr wirkungsvollen europäischen Gentechnik-Gesetzgebung zu erreichen – und um dadurch die Verfahren der Neuen Gentechnik nützen zu können. Welche Gefahren sehen Sie in der Neuen Gentechnik? Eine Deregulierung der bestehenden Gesetzgebung hätte verheerende Auswirkungen auf gentechnikfrei produzierende Unternehmen. Es gibt für einige dieser Verfahren derzeit keine Nachweismethoden, es ist schlichtweg nicht möglich festzustellen, ob das Genom von Pflanzen durch diese Verfahren bewusst verändert wurde. Eine Rückverfolgbarkeit wäre nicht möglich. Produkte aus der Neuen Gentechnik könnten ungetestet und ungekennzeichnet auf den Markt gelangen und damit könnte das Vertrauen der Konsumenten in natürliche, gentechnisch unveränderte Lebensmittel nicht aufrechterhalten werden. Als letztes Glied in der Wertschöpfungskette, mit unmittelbarem Kontakt zu den Konsumenten, wäre der Lebensmitteleinzelhandel von diesem Vertrauensbruch überdurchschnittlich stark betroffen. Was fordern Sie daher? Politisch muss sich auch die neue EU-Kommission der Umsetzung des EuGH-Urteils verpflichten, also konkret dafür sorgen, dass keine Feldversuche mit Neuer Gentechnik genehmigt werden, Nachweisverfahren geschaffen und bei Lebensmittel-Importen angewandt werden. Auf marktwirtschaftlicher Ebene braucht es einen europäischen Schulterschluss der gentechnikfrei wirtschaftenden Unternehmen und eine Harmonisierung der teilweise etwas unterschiedlichen nationalen Kennzeichnungssysteme. Die nationalen und übernationalen Verbände des Handels und des Konsumentenschutzes müssen mit dazu beitragen, die Rahmenbedingungen für Gentechnikfreiheit nachhaltig zu festigen, europaweit zu schützen und vergleichbar zu machen. Zur Person Gerhard Drexel ist seit 2001 Vorstandsvorsitzender der Spar AG und Präsident der Vereinigung Österreichischer Spar-Kaufleute. Fotos: Helge Kirchberger Photography; Shutterstock/Mopic Dezember 2019 — 21

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