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Handelsverband Journal RETAIL 1/2019

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Handelsverband Journal RETAIL 1/2019

— storys Der

— storys Der stationäre Handel ist noch nicht geliefert Online-Lebensmitteldienste. Viele große Handelsketten geben sich noch zaghaft, Startups preschen vor: Lebensmittel online bestellen nimmt langsam aber sicher Fahrt auf. Mit einem Marktanteil von einem Prozent stellen die Onlineshops aber keine Gefahr für den stationären Handel dar. Ein unscheinbarer Karton, 50 mal 50 Zentimeter in etwa, prall gefüllt mit frischem Obst, Gemüse, Fleischwaren. Der Absender: Der US-Lebensmittellieferant Blue Apron. Die Empfänger: rund 650.000 amerikanische Haushalte, die Abonnenten des Lieferdiensts sind und wöchentlich nicht nur Zutaten, sondern auch die dazugehörigen Rezepte vor die Tür gestellt bekommen. Zur Hochzeit des Unternehmens im Jahr 2016 waren es sogar über eine Million Kunden, die sich frische Lebensmittel nach Hause liefern ließen – dann verspürten auch andere großen Hunger auf einen Teil dieses Kuchens. Mittlerweile machen übermächtige Player wie Amazon- Fresh oder Walmart den Vorreitern von Blue Apron das Leben schwer – und sie lassen ahnen, was auf den europäischen Markt zukommt. Kaum Spielraum So wie Blue Apron jenseits des Atlantiks vorgezeigt hat, dass Lieferdienste für Lebensmittel funktionieren können, bringen sich hierzulande ebenfalls vor allem Startups in Stellung. Die großen Lebensmittelhändler hingegen verhalten sich abwartend. Nicole Berkmann, die Leiterin der Kommunikation bei Spar, erklärt, warum: „Neue Player in Österreich wird es aller Voraussicht nach nicht geben, der Markt ist so dicht, dass sie keinen Spielraum zur Entfaltung haben. Wir gehen nicht davon aus, dass der Onlinehandel in absehbarer Zeit bedeutende Marktanteile erreichen kann.“ Ähnlich die Erfahrungen bei der Konkurrenz: Mitte 2018 stellte Rewe den Onlineshop der Lebensmittelkette Merkur ein, nach zweijähriger Testphase. Man wolle sich mehr auf den Onlineshop von Billa konzentrieren, so die Begründung. Trotzdem: Die Zustellung von online bestellten Lebensmitteln kratzt die Handelsriesen kaum, zu gering sind die Absatzmengen, die über diesen Weg an die Kunden gehen. „Der Umsatz in diesem Bereich liegt bei unter einem Prozent. Wir sprechen da von einem ganz niedrigen Niveau, das darf man nicht überschätzen, auch wenn die Onlinehändler medial gerade sehr viel Aufmerksamkeit bekommen“, sagt Berkmann. Wer sind nun diese Neulinge, die die Branche in Aufruhr versetzen? Ein Beispiel für einen erfolgreichen Lieferservice ist das niederländische Startup Picnic. 2015 startete es mit der Lieferung von Lebensmitteln und dem Ziel, über das Internet ein breites Kundenspektrum zu erreichen sowie die Kosten für die Verbraucher zu senken. Das Konzept ging auf, mittlerweile beliefert Picnic 200.000 Kunden in 60 Städten der Niederlande. Vergangenes Jahr hat sich zudem ein Deutschland-Ableger von Picnic mit Sitz in Düsseldorf breitgemacht. Das Unternehmen in Nordrhein-Westfalen beschäftigt rund 300 Mitarbeiter und verfügt über eine Flotte von 70 Elektrofahrzeugen für die Auslieferung der Lebensmittel. Anders als bei den Lieferservices der großen Supermarktketten Deutschlands wie Bringmeister von Edeka oder Rewe müssen die Picnic-Kunden keine Zustellgebühr bezahlen, dafür aber eine Mindestbestellmenge von 25 Euro pro Einkauf erreichen. Testgelände Deutschland Noch ist der Kundenstock des Startups mit 15.000 zahlenden Nutzern recht überschaubar. Geliefert wird nicht in den großen Ballungsräumen, sondern in kleineren Städten wie Neuss, Kaarst, Meerbusch, Mönchengladbach, Düsseldorf-Oberkassel oder Krefeld. Die Kommunen können als Testgelände für die logistischen Anforderungen des Lieferservices gesehen werden, als Vorbereitung für die weitere Expansion: 15 Millionen steckte Picnic vorerst in das Deutschland-Experiment, das freilich noch keine Gewinne erzielen konnte. Der Aufwand ist hoch – neben der Elektroflotte setzt Picnic auf regionale Lieferanten und nachhaltige Verpackungen aus Zuckerrohr. Den niederländischen Gründern wird aber so schnell nicht das Geld ausgehen: Mit rund 100 Millionen Euro Investmentkapital sind sie komfortabel finanziert. Nicht jeder neu gegründete Lieferservice kann sich auf so einem bequemen Finanzpolster ausruhen. Das Wiener Startup Yipbee etwa musste im Jahr 2017 Insolvenz anmelden, nachdem es seine Kunden drei Jahre lang mit Lebensmittel aus dem Großhandel belieferte. Kooperiert hat das Unternehmen mit dem Metro-Konzern, zunächst auch recht reibungslos. Kunden orderten über eine Website die gewünschten Lebens- 12 — April 2019

— storys Foto: Picnic/Calo Ballaera; Illustrationen: Shutterstock/cgterminal, Irina Kolesnichenko, Svesla Tasla mittel, Mitarbeiter von Metro trugen die Bestellungen zusammen, die dann von Yipbee-Leuten bei der nächstgelegenen Metro-Filliale abgeholt und verschickt wurden. Gründer Umut Kivrak hatte schon Pläne, nach Deutschland, Ungarn und Polen zu expandieren, als der Deal mit Metro platzte. Kivrak spekulierte darauf, dass Metro nach einem Jahr Zusammenarbeit Anteile des Startups übernehmen würde, dazu kam es aber nicht. Kivrak musste mangels alternativer finanzieller Unterstützung aufgeben, die Marke Yipbee aber blieb erhalten. Der Tiroler Großhändler Grissemann hat Mitte 2018 das Startup übernommen und das Konzept umgekrempelt: Frische und gekühlte Lebensmittel wurden aus dem Sortiment entfernt, zu finden sind im Onlineshop vor allem Gastronomieprodukte sowie Groß- und Vorratspackungen, die gratis und ohne Mindestbestellwert versendet werden. Grissemann lockt Kunden mit dem Versprechen, Produkte um bis zu 30 Prozent günstiger als bei anderen Onlinehändlern anzubieten. Es ist nicht der erste Ausflug ins Onlinegeschäft des Tiroler Großhändlers mit Sitz in Zams, der schon vor 15 Jahren gemeinsam mit Eurogast einen Onlineshop für Gastrokunden startete. Hauptgeschäftsfelder aber sind nach wie vor der Gastronomie-Großhandel und der Lebensmitteleinzelhandel, rund 350 Mitarbeiter sind bei Grissemann beschäftigt. Gegründet wurde das Unternehmen 1886, die Familie führt es bereits in vierter Generation. 20 Prozent Wachstum, aber … Auch kein Neuling im Onlinegeschäft ist die Unimarkt Gruppe. 2015 startete das Unternehmen mit Sitz in Traun als erster Lebensmittelhändler die österreichweite Hauszustellung, dank spezieller Transportboxen auch mittlerweile Tiefkühlware. „Wir liefern in ganz Österreich aus, in den Ballungsräumen Linz und Graz auch mit einem Same-Day-Delivery-Zeitfenster“, sagt Sandra Pichler, die für Marketing und Kommunikation zuständig ist. Sie zählt eine Reihe von Gründen auf, warum sich immer mehr Kunden für die Bestellung ihrer Lebensmittel im Internet begeistern: „Es geht den Menschen vor allem um die Zeitersparnis und die Convenience, für ihre Einkäufe nicht in eine Supermarktfiliale gehen zu müssen. Sie haben online einen besseren Überblick auf das Vollsortiment mit über 8.000 Produkten, auch dank der Suchfunktion. Und außerdem werden dieselben Rabattaktionen wie in den Filialen angeboten.“ Bei der Logistik vertrauen die Trauner auf die Unterstützung durch die Post, die Zustellung der Waren geht klimaneutral vonstatten. Kostenlos zugestellt wird ab einem Bestellwert ab 75 Euro, Unimarkt liefert auch sein Frischesortiment, anders als etwa Hofer, der seinen Onlineshop auf den Non-Food-Bereich konzentriert. „Unsere Strategie läuft auf weitere Expansion hinaus. Zurzeit beschäftigen wir uns mit der technischen und inhaltlichen Weiterentwicklung des Onlineshops, ein Schwerpunkt liegt auf der Kundenbindung“, sagt Pichler. Über die Kundenzahl und den Umsatz im Onlinebereich schweigt sie, aber zumindest zum Wachstum nennt sie eine Zahl: Im aktuellen Geschäftsjahr stieg der Online-Umsatz um 20 Prozent. Amerikanische Verhältnisse sind aber trotzdem nicht zu erwarten – hierzulande hat der Onlinehandel mit Lebensmitteln noch einiges aufzuholen. ▪ Josef Puschitz April 2019 — 13

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