BINNENSCHIFF Journal 4/2020 | S22 „Alles fließt – nicht nur der Fluss“ – Veränderungsmanagement & Arbeitssicherheit in der Binnenschifffahrt Was ist eigentlich eine Veränderung? Schon der griechische Philosoph Heraklit stellte ca. 500 vor Christus in seiner Lehre vom Fluss aller Dinge fest: „Alles fließt“, d.h. „Alles bewegt sich fort und nichts bleibt.“ GASTBEITRAG: STEFAN POPPELREUTER Und was hat das mit der Arbeit in der Binnenschifffahrt zu tun? Auch hier gibt es einen permanenten Wandel. Neue Gefahren tauchen auf, neue Vorschriften werden gemacht, neue Techniken und Methoden nicht zuletzt in Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit etablieren sich. Die Mannschaften müssen aufgeklärt, befähigt, kontrolliert werden. Neuerungen werden dabei nicht immer sofort verstanden oder akzeptiert. Veränderungen erscheinen als unnötig, unbequem, lästig, hinderlich. Wie reagieren wir Menschen auf solcherlei Veränderungen? Welche Gefühle werden durch Veränderungen im Individuum hervorgerufen? Veränderungen können durchaus positive Gefühle verursachen, weil so beispielsweise unangenehme oder sogar untragbare Situationen zukünftig vermieden werden können. Bessere Navigationsgeräte führt zu einem besseren Gefühl, faktisch auch zu einem besseren Schutz. Neben positiven Gefühlen verursachen Veränderungen jedoch auch negative Gefühle, dabei wird jede noch so geringe Veränderung von Menschen zunächst einmal auf ihre Bedrohlichkeit hin überprüft. Diesen Sicherungsmechanismus hat die Evolution sozusagen in den Menschen „eingebaut“. Erst wenn der Mensch sicher ist, dass eine Veränderung nicht bedrohlich ist, wenden er seine Aufmerksamkeit anderen Aspekten zu – z.B. den potenziellen Vorteilen und Chancen von Veränderungen oder ihrer Nützlichkeit für eigene Interessen. Bedeutet also beispielsweise eine bessere persönliche Schutzausstattung an Bord (Schuhe, Helm, Handschuhe etc.), dass ich auch mehr Aufwand benötige, um diese anzulegen, zu reinigen oder auszutauschen, und wird dieser Aufwand nicht „erstattet“, beispielsweise in Form verlängerter Rüstzeiten, so werde ich die Veränderung mindestens skeptisch betrachten oder ganz und gar ablehnen. Veränderungen – auch im Bereich des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit – sind also mit Unsicherheit über die Zukunft verbunden und können als Gefahren und Risiken wahrgenommen werden. Daher können Mitarbeiter auf Veränderungen mit Misstrauen und Widerstand reagieren, d.h. sie können sich trotzig aktiv gegen Neues sträuben, indem sie neue Maßnahmen sabotieren oder schlechte Stimmung machen. Aber es geht auch anders: Mitarbeiter können genauso gut auf Veränderungen angebracht reagieren. Sie können aktiv neue Lösungen suchen, d.h. sie können agieren und nicht nur reagieren, oder sie können sogar im besten Falle proaktiv auf Veränderungen hinarbeiten bzw. Veränderung von sich aussuchen. Und genau hier setzt das Thema Veränderungsmanagement ein. Warum ist Veränderungsmanagement wichtig? Im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung verändern sich Arbeitsplätze in nahezu allen Branchen auf mitunter sehr komplexe und dynamische Art und Weise. Dass solche Veränderungen sich auch auf den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit und die in diesem Zusammenhang zu ergreifenden, zu überprüfenden und anzupassenden
Dr. Stefan Poppelreuter Quelle: Privat Maßnahmen haben, liegt auf der Hand. Daneben üben gesellschaftliche Veränderungen, wie der Wunsch nach Selbstbestimmung, Partizipation und Persönlichkeitsentfaltung einen starken Einfluss auf Betriebe aus. Die Folge ist, dass nahezu alle Organisationen – in welcher Branche auch immer – unter einem permanenten Veränderungsdruck stehen, die Häufigkeit, Anzahl und Bedeutung von Veränderungen sind gestiegen. Ein erfolgreiches Vorbereiten, Durchführen und Begleiten von Veränderungsprozessen ist also von großer strategischer Bedeutung, denn die Fähigkeit von Betrieben, sich rasch zu verändern und anzupassen bringt enorme Wettbewerbsvorteile mit sich. Im Bereich des Arbeitsschutzes- und der Arbeitssicherheit ist sie zudem mitunter zwingend erforderlich, weil rechtliche Rahmenbedingungen dies vorschreiben. Was ist Veränderungsmanagement? Unter Veränderungsmanagement (englisch Change Management) lassen sich alle Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten zusammenfassen, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weitreichende Veränderung – zur Umsetzung neuer Strategien, Strukturen, Systeme, Prozesse, Verhaltensweisen, Denkmustern und Werte – in einer Organisation bewirken sollen. Voraussetzungen für ein erfolgreiches Veränderungsmanagement Es lassen sich Veränderungsprozesse nur erfolgreich umsetzen, wenn folgende Faktoren im Betrieb berücksichtigt werden bzw. gegeben sind: • Veränderungen – gerade im Bereich des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit – müssen von jedem Mitarbeiter als persönliche Aufgabe verstanden werden. Nur wenn alle Mitarbeitenden von der Veränderung überzeugt sind und diese mittragen, kann es zu einem erfolgreichen Adaptationsprozess kommen. • Verkrustungen müssen aufgebrochen und vermieden werden. Vor allem Haltungen wie „das haben wir ja noch nie so gemacht“ oder „da könnte ja jeder kommen“ (gerade im Rheinland sehr beliebte sogenannte „Killerphrasen“) sind massiv veränderungshinderlich.
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