BINNENSCHIFF Journal 4/2020 | S20 vielerorts fehlt noch die Innovationsbereitschaft im ÖV. Oberösterreich ist zum Beispiel das einzige Land in Österreich, dass sogar schon seit Jahrzehnten einen nennenswerten ÖPNRV auf dem Wasser per Schiff hat. Hätte muss man korrigierend sagen, denn das Angebot der Hallstätter Schifffahrt wird weder vom Bund, Land, noch von der Gemeinde unterstützt. Quasi als Privatvergnügen, fährt die Schifffahrt regelmäßig und zwar das ganze Jahr seit der Eröffnung der Bahnstation (1881), bei jeder Witterung, zwischen Bahnhof am Ostufer und Ort Hallstatt am Westufer hin und her. Sonst könnten Bahnfahrgäste den Ort nur zu Fuß oder schwimmend erreichen. So herrscht in Hallstatt die kuriose Situation, dass der Fahrgast, der mit der Bahn im ÖV zum Weltkulturerbe nach Hallstatt will, dort nicht hinkommt, weil zwischen Bahnhof und Hallstatt leider der Hallstätter See liegt. Eine Sackgasse für den ÖPNRV-Fahrgast. Die letzten paar hundert Meter über den See mit dem Schiff, können oder wollen sich die Träger des ÖV nicht mehr leisten. Richtungsweißend im ÖPNRV ist die Schweiz, die wie Österreich über zahlreiche Gewässer mit einer Binnenschifffahrt verfügt und diese auch im Sinne der Kunden nützt. Deshalb genießt der ÖV in der Schweiz einen hervorragenden Ruf. Attraktiv macht die Schweiz das Angebot durch eine durchgehende Transportkette, über alle Verkehrsmittel hinweg (Bahn, Bus, Schiff und Seilbahn). Der „Direkte Verkehr Schweiz“ nützt somit zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten im Interesse der Kunden. Beispielgebend ist nicht das Dörfchen Quinten am Walensee, von dem man sagt, dass jeder Einwohner schon bevor er auf die Welt kommt, mit dem Schiff zur Geburt in das Krankenhaus fährt und wenn der Quintener stirbt, muss er auch mit dem Schiff über den See zum Friedhof. Wie in der Mythologie, mit der Fähre ins Totenreich. Repräsentativ sind in der Schweiz vielmehr große Reedereien im Verkehrsverbund. Mit 1,2 Mio. Fahrgästen ist die Zürichsee Schifffahrt (ZSG) Mitglied im größten Verkehrsverbund in der Schweiz (ZVV), der 650 Mio. Fahrgäste im Jahr befördert. Auch die größte Schifffahrtsgesellschaft, die Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee (SGV) mit 3 Mio. Fahrgästen, fährt im Verkehrsverbund (Luzern-VVL). Der VVL befördert insgesamt 100 Mio. Fahrgäste. Kärnten, ein Bundesland, das laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) noch erheblichen Nachholbedarf im ÖPNRV hat, gleichzeitig über attraktive Schifffahrtsangebote verfügt und sogar schon mal einen nassen ÖV gehabt hat, „doktert“ seit 2016 am Mobilitätsmasterplan Kärnten (MoMak 2035) herum. Das Ziel ist, umweltfreundlicher und nachhaltiger zu werden. Sogar die Nutzung des Potentials im multimodalen Verkehr, wird angestrebt. Schlüsselworte wie Mobilitätsknoten oder Klimaagenda geistern da durch den Raum, wenn gerade das Kapitel „ÖV Reformplan 2020+“ breit diskutiert und neu gedacht werden soll. Das ist auch notwendig, weil die Planungsgrundlagen für den MoMak 2035 aus dem Jahr 2011 stammen und daher eigentlich antiquarischen Charakter haben. Obwohl der Landeshauptmann erst kürzlich die Bedeutung der Schifffahrt für das Land extra betont hat, bleibt die Binnenschifffahrt bei der Planung im ÖV weiterhin außen vor. Dabei hätte Kärnten durchaus mit der Schweiz vergleichbare und attraktive Netzangebote über alle Verkehrsträger hinweg: Mit der Bahn von Wien nach Villach, mit dem Bus vom Bahnhof Villach zur Schiffsanlegestelle Landskron, mit dem Schiff über den Ossiacher See zur Anlegestelle Annenheim und von dort direkt mit der Gondelbahn auf die 1900 Meter hohe Gerlitzen. Wie man sieht, ist der ÖV-Passagier in Österreich noch immer ein „Beförderungsfall“ und die Binnenschifffahrt fristet nicht nur im Cargo Bereich ein Schattendasein. Auch das Potential des Personenverkehres auf Flüssen und Seen wird nicht annähernd ausgenützt. Selbst Mobilitätsexperten wie der VCÖ, „vergessen“ bei ihren Darstellungen auf die Binnenschifffahrt, obwohl geschätzt mehr als 3 Mio. Fahrgäste pro Jahr mit dem Binnenschiff fahren (Statistik existiert nicht). Gegensteuern kann die Binnenschifffahrt höchstens mit Amphibienbussen. Aber die zählen nicht zum öffentlichen Verkehr. Wo sind die Zeiten, als man gekrönten Häuptern die Schönheit des Landes noch stolz per Schiff gezeigt hat? (PB)
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