BINNENSCHIFF Journal 4/2020 | S18 ÖPNRV sucht die Binnenschifffahrt Es gibt viele ungenützte Alternativen, den ÖPNRV über die nasse Infrastruktur zu bereichern. Auch der Weltverband UITP hat das längst erkannt und die Waterborne Transport Platform gegründet. REDAKTION: PETER BAUMGARTNER RIVER BUS in Hamburg Quelle MAN Truck & Bus SE Corona hat dem öffentlichen Personenverkehr überall Einbußen beschert. Nicht nur am Höhepunkt der Krise, sondern auch danach, steckt den Menschen die Angst in den Gliedern, dass man sich im öffentlichen Verkehrsmittel leichter anstecken könnte. Und die Vorbehalte sind durchaus begründet. Oberstes Gebot ist daher aus der Erfahrung zu lernen und ein Umdenken herbeizuführen. Der Gesundheitsschutz muss einen höheren Stellenwert erhalten, damit das Vertrauen in den ÖPNRV wieder wächst. Das wird bei bestehenden Fahrzeugen nicht ohne Investitionen gehen, wenn zum Beispiel mehr Freiraum und Abstand zwischen den Fahrgästen angestrebt werden soll. Jedenfalls werden proaktive Maßnahmen notwendig sein, damit das Vertrauen in die Öffis wieder steigt. Ein Weg dorthin könnte sein, den Spaß- und Erlebnisfaktor bei der Nutzung des ÖPNRV zu verbessern. Da kommt die Binnenschifffahrt mit ihren unterschiedlichen Schiffstypen ins Spiel. Nirgends lässt sich in einem Verkehrsmittel der Erlebnisfaktor besser verkaufen, als an Bord eines Schiffes. Und auch notwendige Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln, sind am Schiff besser zu organisieren, als zum Beispiel in einem Bus. Bei durchgängiger Planung, lässt sich auch die Barrierefreiheit besser Verwirklichen, als bei anderen Fahrzeugen. Der ÖV muss zwar nicht neu erfunden werden, aber es lohnt sich zu schauen, wo funktioniert der ÖV unter Einbindung der Binnenschifffahrt, was kann man mit dem Blick über den Horizont hinaus lernen. Das Fraunhofer Institut hat in einer Studie festgestellt, moderne Fahrzeuge und eine Integration in Verkehrsverbünde, haben dem Personenverkehr auf Binnenwasserstraßen mancherorts durchaus eine wichtige Rolle bei der Bewältigung des Alltagsverkehrs zukommen lassen. Es drängt sich deshalb die Frage auf, ob die vorhandenen Wasserwege nichtzumindest punktuell Ansatzpunkte für Verbesserungen
In der Schweiz hat das Binnenschiff den ÖV erobert Quelle: ZVV bieten können. Die „Avantgarde-Zielgruppe“, vor Corona zunehmende Fangruppe im ÖV, hat schon längst bemerkt, dass man sich auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, auf dem Schiff wunderbar entspannen kann. In der näheren Umgebung ist zum Beispiel die slowakische Hauptstadt Bratislava gerade dabei, den ÖV teilweise auf das Wasser zu verlagern, um die Stauproblematik auf den Straßen etwas zu entschärfen. Denn derzeit ist klar, wer ein Auto und Angst vor Corona hat, steht lieber im Stau, als im Bus. Die größten Vorteile für Bratislava sind aber, dass es für das Projekt erhebliche EU-Förderungen gibt und ein neuer Verkehrsträger am Wasser nicht im Widerspruch zu anderen Verkehrsträgern steht. Sieben Schnellboote, jeweils mit einer Kapazität von 140 Personen und 30 Fahrrädern, sind im Projekt vorgeschlagen. Oft, wie in Hamburg, Amsterdam oder New York, ist das ÖV Angebot auf dem Wasser bei den Kunden sogar sehr beliebt, weil sie mit der täglichen Fahrt zur Arbeit ein wenig Freiheitsgefühl vermittelt bekommen. In Berlin, wo einige Fähren – und sogar eine Ruderfähre - zum ÖPNV zählen, wurde festgestellt, dass durch die direkte Gewässerquerung bei allen Verbindungen längere Fahrzeiten über die nächstgelegene feste Wegeverbindung vermieden werden können. Dies trägt zu einer besseren Abdeckung wesentlicher Mobilitätsbedürfnissen bei. Alle Fähren sind zudem mit anderen Verkehrsmitteln des Umweltverbundes verknüpft. Eine gegenseitige Ergänzung der Verkehrsmittel ist gewährleistet. Die Fährlinien im Saisonbetrieb sind insbesondere auf das Mobilitätsbedürfnis des Freizeit- und Ausflugsverkehrs ausgerichtet. In Österreich schließt die Gesetzeslage einen ÖV auf dem Wasser dezidiert aus. Das Bundesgesetz für den ÖPNRV und das Kraftfahrliniengesetz gilt nur für Angebote an Land. Möglichkeiten könnten jedoch auch in Österreich vielerorts gefunden werden. Einige bestehende Angebote gibt es sogar, die man nur an einen Verkehrsverbund andocken müsste. Aber noch ist dieses Gebiet ein weißer Fleck auf dem Streckennetz des ÖV. Der Landesrechnungshof hat in Oberösterreich anlässlich einer Initiativüberprüfung des ÖPNV einmal so kritisiert, dass das Land ausschließlich die Rolle des Finanzierers einnimmt. Der LRH hält es aber für sinnvoll, dass nicht nur finanziert, sondern auch steuernd Einfluss auf den ÖPNV genommen werden muss. Eine nachvollziehbare Kritik, denn
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