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Binnenschiff Journal 3/2020

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Binnenschiff Journal 3/2020

BINNENSCHIFF

BINNENSCHIFF Journal 3/2020 | S20 Hygiene - Für den Klimawandel an Bord gibt es noch Luft nach oben. Hygiene ist die Lehre von der Verhütung der Krankheiten und der Erhaltung und Festigung der Gesundheit. Mit oder ohne Hilfe der griechischen Göttin Hygieia, müssen wir Keime im Keim ersticken. REDAKTION: PETER BAUMGARTNER Es stinkt zum Himmel Quelle: Veronika Stalzer noch ohne Klimaanlage aus. Mit fortschreitender Klimaänderung nimmt die Sicherstellung einer normalen Raumtemperatur weiter zu. Der altbekannte Deckenventilator oder die Lüftungshutzen haben aber längst ausgedient. An deren Stelle sind unterschiedliche Arten von Klimaanlagen getreten, die meist nach den persönlichen Bedürfnissen der Kabinenbewohner geregelt werden können und nicht nur kühlen, sondern auch heizen. Zwar kann man viele Kabinen auch zusätzlich natürlich belüften, aber speziell in den unteren Deckskabinen können Fenster oder Bullaugen nicht geöffnet werden. Diese Kabinen und andere Räumlichkeiten können nur technisch belüftet oder beheizt werden. In der Binnenschifffahrt gibt es zwei Gefährdungen, die eine absolute Herausforderung darstellen. Feuer und ungesunde Atemluft. Obwohl es eigentlich paradox ist, weil rundherum Wasser vorhanden ist, gilt Feuer an Bord als Worst Case. Ebenso verhält es sich mit der sauberen Atemluft. Auch diesbezüglich könnte man meinen, sollte es gerade auf einem Schiff kein Problem geben. Dennoch kann die Luft an Bord manchmal sogar tödlich sein. In der Frachtschifffahrt gibt es diesbezüglich insbesondere zwei Gefahrensituationen, die regelmäßig kritische Situationen auslösen. Das sind zum einen nicht ausreichende Atemluft in dicht geschlossenen Räumen. Werden diese von der Besatzung ohne vorherige Messung betreten, besteht akute Lebensgefahr. Ein anderes Problem ist die von der Ladung ausgehende kontaminierte Luft. Ladung, die zur Schädlingsbekämpfung begast werden muss, kann zum Beispiel die Umgebungsluft derart verschlechtern, dass es lebensbedrohlich wird. In der Passagierschifffahrt ist die Luftqualität eher ein Luxusproblem. Kaum ein Schiff kommt heute Husten, Schnupfen, Heiserkeit, sind die geringsten Probleme, die dabei entstehen können. Als unmittelbare Folge von Corona, kündigen Reedereien zahlreiche Anpassungen im Bordbetrieb an. Eine der Maßnahmen betrifft naturgemäß die Klimasysteme, weil deren Funktion ein wichtiges Kriterium für die Hygiene an Bord ist. Seriöse Anbieter von Klimasystemen führen deshalb vorbeugend „technische Gesundheitschecks“ durch – und zwar 24/7/365 überall auf den Wasserstraßen, weil nur so sichergestellt werden kann, dass zum Beispiel kein bakterielles Wachstum im System entsteht. Daneben ist es absolut wichtig, dass das Bedienpersonal gut geschult und mit der Anlage vertraut ist. Diese Kompetenz geht weit über die technischen Skills hinaus und umfasst ein weitreichendes Grundverständnis über grundsätzliche Hygieneanforderungen an Bord. Wie groß und wie nachhaltig die Gefahren sind, die von Klimasystemen ausgehen können, darüber gibt es unterschiedliche Expertenmeinungen. Unbestritten sind regelmäßige

Schiffe liegen im 3er Paket Quelle: IBBS Wartungs- und Inspektionsintervalle absolut zwingend – wobei allerdings schon bei der Definition „regelmäßig“ die Meinungen auseinander gehen. Anders als bei stationärer Verwendung von Klimasystemen, kann die angesaugte Frischluft auf einem Schiff durchaus negativen Einflüssen ausgesetzt sein. Wenn zum Beispiel unmittelbar bei der Ansaugöffnung das Müllboot vor sich hingammelt, ist die angesaugte „Frischluft“ gefährdet (Bild 1). Auch wenn Schiffe im Paket liegen müssen und kaum Raum zwischen den Schiffen bleibt, kann die Qualität der angesaugten Luft beeinträchtigt werden (Bild 2+3). Das Inst. f. med. Mikrobiologie, Virologie & Hygiene am Uni Klinikum Rostock thematisiert die spezifische Hygiene an Bord in Bezug auf die Be- und Entlüftung. Dabei wird für die Zuluftansaugung eine maximale Entfernung von möglichen Schadstoffeintragungen verlangt. Auch die Qualität der verwendeten Filter, das Verhindern von Kondenswasserbildung, Korrosionsfestigkeit und generell eine leichte Zugänglichkeit, sind wichtige Kriterien für die Hygiene. Eine besondere Herausforderung an Bord ist die Einhaltung der Hygiene bei der Abfalllagerung und Entsorgung. Auch für International Chamber of Shipping (ICS) gehört die geeignete Abfallentsorgung zu den wesentlichen Punkten hinsichtlich einer grundsätzlichen Bordhygiene. Das EC Directorate-General for Health and Food Safety (DG SANTE) hat in einer Empfehlung ausgesprochen, Luftfilter sollten von geschulten Personen unter Verwendung geeigneter Schutzausrüstungen (PSA) ausgetauscht und als infektiöser Abfall behandelt werden. Die gegebenen Umstände sind allerdings schon für das derzeitige Abfallaufkommen ein schier unlösbares hygienisches Problem (Bild 4+5) Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ortet auch Gefahren in anderen Teilen der Klimaanlagen, z.B. im Befeuchter. Damit es nur bei einer harmlosen Erkältung bleibt, müssen Wartung, Inspektion und Reinigung von Klimaanlagen nach genauen Wartungsplänen durchgeführt werden, verlangt der VDI. Dr. Daniela Schmid, Leiterin der Abteilung Surveillance und Infektionsepidemiologie in der AGES, sieht eher Vorteile bei raumlufttechnischen Anlagen, weil gefährliche Aerosole, die bis zu 10 Minuten im Schwebezustand Personen infizieren können, durch Klimaanlagen rascher abziehen. Allerdings ist das noch Gegenstand intensiver Forschung. Entwarnung gibt auch Virologin Dr. Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien für moderne Klimaanlagen. Sie hält die Verbreitung des gefährlichen Coronavirus über solche Geräte für unwahrscheinlich. Ihr Kollege, Prof. Dr. Hans-Peter Hutter, vom Institut für Umwelthygiene und Umweltmedizin der Universität Wien bestätigt das grundsätzlich. Aber: „In alten, schlecht gewarteten Klimaanlagen kann es zu anderer mikrobieller Verunreinigung der Atemluft kommen.“

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