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BINNENSCHIFF JOURNAL 2/2020

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COVID-19 fegt zurzeit nicht nur Autobahnen, sondern auch die Wasserstraße leer.

BINNENSCHIFF Journal 2/2020 | S22 Human Mining - Key Performance Indicator Binnenschifferausbildung Die aktuelle Ausbildung in der Binnenschifffahrt vor dem Hintergrund der nahenden autonomen Schifffahrt. REDAKTION: PETER BAUMGARTNER PETER BAUMGARTNER HERAUSGEBER BINNENSCHIFFF JOURNAL Noch müssen Schiffe, wenn sie den Anker lichten wollen, „bemannt sein“. Soll heißen, kein Schiff darf ohne zahlen- und qualifikationsmäßig ausreichender Besatzung in Fahrt gehen. Die entscheidende Frage im Hinblick auf autonome Schiffe wird also sein, ob man die einschlägigen Vorschriften wird ändern oder auch anders auslegen wird können. „Virtuell bemannt“, könnte zur neuen Gesetzeslage werden. Das würde dann auch vielen Partikulieren in der Übergangsphase helfen, die aus Kostengründen auf die vorgeschriebene Besatzung verzichten und lieber ein Bußgeld riskieren. Sie könnten dann bei einer Polizeikontrolle argumentieren, dass der Steuermann virtuell an Bord ist. Vielleicht genügt es künftig auch schon, die Verantwortlichkeiten anders zu verteilen. Jetzt ist es ja so, dass unabhängig von der Entscheidungsfähigkeit, der Kapitän an Bord für alles verantwortlich ist. Künftig ist vielleicht A für die Ausrüstung, B für den Bau des Schiffes, C für die Instandhaltung, D für die Überwachung usw. verantwortlich – und niemand ist physisch an Bord. Selbst bei einem nautischen Fehler hat man keinen verantwortlichen Kapitän mehr, sondern vielleicht ein Unternehmen XY, welches falsche Fahrwegdaten geliefert hat. Kollidieren Schiffe, gibt es in der autonomen Schifffahrt vielleicht mehr Verantwortliche als sich mit der bestehenden Gesetzeslage regeln lässt. Daraus ergeben sich ganz offensichtlich andere Ausbildungszugänge und Qualifikationen als bisher. Was wird 2020 jungen Menschen geboten, wenn sie sich für den Beruf Binnenschiffer entscheiden? Eine spannende Frage, wenn man bedenkt, dass das autonome Schiff in den Köpfen der Forscher bereits unterwegs ist. „Wir haben das konkrete Ziel, dass in 15 Jahren nicht nur autonome Lkw über unsere Straßen rollen, sondern autonome Binnenschiffe zu einer Renaissance des Systems Wasserstraße geführt haben (Schreiber/IHK-2018).“ Die flämische Regierung war 2019 sogar davon überzeugt, schon 2021 kommerziell autonom mit dem Binnenschiff fahren zu können. Geht es also nach den Vorstellungen der verantwortlichen Politik, die den wissenschaftlichen Versprechungen folgt, wird das autonome Schiff am Rhein jedenfalls 2033 Realität sein. „Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess“. (Thorsten Dirks/Lufthansa) Jemand, der heute mit der Ausbildung zum Binnenschiffer beginnt, wird dann gerade 30 Jahre jung sein. Und ein Kapitän wird dann noch gut 30-40 Jahre bis zur Pensionierung vor sich haben. Wozu heute also Skills für den Bordbetrieb lernen, wenn man schon morgen gar nicht mehr physisch an Bord, sondern in einer Landzentrale gebraucht wird? Wozu Geld und Energie in Weiterbildung investieren, wenn die erlangten Fähigkeiten bereits von programmierten Computern ausgeführt werden können? Angeboten wird heute von qualifizierten und hilfsbereiten Dozenten in angenehmer Lernatmosphäre ein aktuelles Kursangebot für die Decksmannschaft, dass mit modernster Vortragstechnik zuverlässig abgearbeitet wird. Tatsächlich wird dieses Ausbildungsprogramm, der KI-Kapitän in seiner Leitzentrale nicht mehr selber anwenden müssen. Vielleicht noch die Grundkenntnisse in der Radartechnik und im Sprechfunk. Aber den Rest, Gefahrguthandling, Streckenkunde und alle Kenntnisse, die ein Kapitän heute an Bord braucht, werden für einen 16-jährigen Berufseinsteiger oder einen jungen Matrosen am

Quelle: FHH Beginn seiner Karriere schon sehr bald zum veralteten Wissen zählen. Gut, Schiffsjungen/ Mädchen, die heute lernen, wie man mit einem Beiboot fährt, Knoten knüpft, Rettungswesten anlegt und Schiffe putzt (wer putzt eigentlich autonome Schiffe?), können das bestimmt auch anwenden, wenn er/sie als Freizeitskipper unterwegs sein möchten. Insofern sind Zeit und Geld nicht umsonst investiert. Nicht schaden kann auch das Training am Fahrsimulator. Zu lernen, wie man ohne Risiko Schiffe versenkt, trägt bestimmt auch dazu bei, die psychische Resilienz zu stärken, die man in einer KI-Zentrale jedenfalls wird gut brauchen können. Eine aktuelle Studie (2019 – D-ZIB) sieht „Handlungsansätze“ in der Aus- und Weiterbildung für Binnenschiffer – an Bord. Damit könnten künftige Binnenschiffer immerhin wenigstens schon eine Ahnung von der digitalen Welt bekommen, an der sie nicht teilnehmen werden. CESNI hat gerade die aktuellen „Europäischen Standards für Qualifikationen in der Binnenschifffahrt (ES-QIN 2019) veröffentlicht und behauptet, „Dieser Referenzrahmen begleitet das Schiffspersonal über ihre gesamte berufliche Laufbahn hinweg.“ Mit der Ausnahme, dass sich die Standards mit Fragen des Radarsimulators beschäftigt, findet sich allerdings kein Tool, dass wirklich auf die autonome Schifffahrt abzielt. In Summe sind aktuelle Lernziele/Planungen nicht wirklich ein Angebot, die am Beginn einer Berufsplanung stehen sollen, wenn man das autonome Schiff bereits im Blickfeld hat. Vielleicht verzichtet man auch deshalb in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Ausbildungszentren darauf zu versprechen, dass das Erlernte später auch anwendbar sein wird. Aber ist es nicht an der Zeit, Vorsorge zu treffen? Jetzt das Personal auszubilden, das in wenigen Jahren für autonome Schiffe zuständig sein soll? Die Branche hat den Fehler einer falschen Ausbildungspolitik schon mal gemacht. Deshalb hat die Binnenschifffahrt heute das demografische Problem der Überalterung und den Mangel an Fachkräften. Deshalb müssen beinahe Kapitäne mit dem Rollator ran, um den Betrieb wenigstens halbwegs zu gewährleisten. Die perfekte Qualifikation zum Binnenschiffer vorn morgen ist Hacker und Zukunftsforscher Heute bereits existierende Testfelder, wo Forschungsergebnisse der autonomen Schifffahrt in der Praxis getestet werden, könnten schon als „Schulschiff“ dienen, wo das Digital Human Capital qualifiziert wird. Vielleicht könnte Hamburg beispielgebend dafür sein, wie man den „Start in die nächste Generation“ schafft. Zumindest sollte jetzt geklärt werden, wer was können muss, um in einer Leitzentrale Schiffe zu steuern. Wie wird der künftige Stellenmarkt beworben? Steht da dann vielleicht „Data Scientist für die Binnenschifffahrt auf der Donau gesucht“? Oder „Data Miner sucht Job in der Containerschifffahrt am Rhein“? Vermutlich liegt die perfekte Qualifizierung für den künftigen Binnenschiffer in der Ausbildung zum Hacker mit Wahlfach Zukunftsforscher. Mit der Ausbildung zum Hacker wird der künftige Binnenschiffer qualifiziert, jede Bedrohung von seinen Schiffen fern halten zu können. Als Zukunftsforscher und Hacker muss er nicht mutmaßen, sondern kann ganz konkrete Zukunftsszenarien vorhersagen. Weil – Murphys Gesetz – auch in der virtuellen Welt immer etwas passieren kann, wird es auch nützlich sein, ein paar analoge Skills zu beherrschen. (PB)

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