Aufrufe
vor 5 Jahren

LE-3-2016

  • Text
  • Express
  • Jaklitsch
  • Transportlogistik
  • Ecommerce
  • Logistik
  • Ttip
  • Unternehmen
  • Industrie
  • Handel
  • Deutschland
  • Intralogistik
  • Entwicklung
  • Europa
LOGISTIK express Fachzeitschrift

TRANSPORT & LOGISTIK in

TRANSPORT & LOGISTIK in den USA verursacht, wenn sie vor Ort auf billige Fracking-Energie setzt. Es würde auch keinen Unterschied mehr machen, die so gewonnene Energie dank TTIP gleich nach Linz zu importieren. Billige Energie Made in USA frei Haus sozusagen. Geradezu ein Schlaraffenland für alle Schiffslogistiker. Denken wir an die Ölindustrie, die über eine salonfähige und billige Fracking- Energiegewinnung plötzlich wieder Unmengen Handel betreiben könnte. Geradezu ein Glücksfall für die Logistik. Die Finanzindustrie wäre bedenkenlos ebenfalls ein großer Profiteur von TTIP. Die gewinnt ja immer. Nun zählt die Finanzindustrie zwar nicht gerade zu unseren liebsten Kindern. Aber wir Europäer haben sie mit unseren Gesetzen zu dem gemacht, was sie ist. Allein wenn man bedenkt, dass der Marktwert des Pissoirs im Commerzbank-Tower um ein Vielfaches höher ist, als ein Einfamilienhaus in Hietzing, kann es durch TTIP auch nicht viel schlimmer kommen. Aber dank prall gefüllter Tresore würden die Banken plötzlich wieder über eine Investitionskraft verfügen, die viele im Dornröschenschlaf liegende Logistikprojekte wach küssen könnte. Was kümmert es also die Logistik, dass dabei vielleicht bessere Quelle: Greenpeace TTIP KÜMMERT SICH UM MENSCH & UMWELT Bankenregulierungen in den USA den Bach runter gehen? Hauptsache die Finanzgewinne werden richtig – nämlich in Logistik fördernde Maßnahmen - investiert. Der Handel, den sich in Europa eine Handvoll Player unter sich aufteilen und mit einer schonungslosen Preispolitik kleine Produzenten und Bauern in den Ruin treiben, bekäme durch TTIP plötzlich einen enormen Druck aus den USA, weil auch amerikanische Handelsketten auf den Markt drängen würden. Für REWE und Co könnte es dann heikel werden. Der Konsument und der Kleinproduzent würde jedoch nur merken, dass er von mehr Vampiren umzingelt ist. Die Folgen für die Logistik: ein enormes Wachstum. Alles was Recht ist Ein beliebtes Totschlagargument gegen TTIP sind die geplanten Investitionsschutzmaßnahmen und ganz besonders die darin vorgesehenen Schiedsgerichte, denen sehr weitreichende Machtbefugnisse eingeräumt werden sollen. „Vor diesen Schiedsgerichten sollten wir uns fürchten“ sagt man, weil plötzlich jede US Firma in der EU einzelne Mitgliedsstaaten direkt verklagen könnte. Allerdings, genau das machen EU Firmen und andere Firmen weltweit ja bereits seit vielen Jahren - meist zu Lasten ärmerer Länder. Und Deutschland gilt sogar als Erfinder dieser juristischen „Errungenschaft“ Allein Österreich pflegt Investitionsschutzabkommen mit über 60 Ländern und noch weit mehr Handelsabkommen! Eine Streitschlichtung findet, wie bei TTIP vorgesehen, oft vor dem Schiedsgericht in den USA statt. Das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes kurz: ICSID) wird von Frau Meg Kinnear geführt. Ob sie oder Angela Merkel die mächtigste Frau der Welt ist, darüber herrscht keine Einigkeit. ICSID wurde jedenfalls schon 1966 gegründet und sichert seither weltweit das Recht von Investoren gegenüber allzu eifriger Regierungswut. Allerdings wurde damals auch versprochen, dass der weltweite Investorenschutz bessere Lebensbedingungen und mehr Arbeitsplätze bringen wird. Die Weltgeschichte der letzten 50 Jahre lehrt uns allerdings das Gegenteil. Warum das durch einen TTIP-Investorenschutz anders werden soll, konnte noch nicht überzeugend dargestellt werden. Vielleicht würde sich die geheime Gerichtsbarkeit mehr nach Europa verlagern und europäische Konzerne müssten nicht mehr den Umweg über die USA nehmen, wenn sie Staaten in Europa verklagen wollen. Man denke nur an den nicht mehr ganz so geheimen Fall, wo ein schwedisches Unternehmen (Vattenfall) Deutschland vor dem US Schiedsgericht verklagt. TTIP? Haben wir doch schon! Es ist ganz egal, welches Argument der TTIP Gegner man auch aufgreift, die Erkenntnis ist immer wieder gleich: Die prognostizierten Probleme haben wir bereits in allen Schattierungen im eigenen Haus Europa. TTIP bringt Handel nur auf Kosten von Sozial-, Umwelt- und Arbeitsstandards sagen die Gegner – diese Probleme gibt es aber in der EU bereits an jeder Ecke. Warum soll die Logistik dafür verantwortlich sein, wenn sie Gen verseuchte Produkte aus den USA importieren muss? Sie wird ja 42 LOGISTIK EXPRESS 3/2016

auch nicht verantwortlich gemacht, wenn sie Blumen aus Afrika importiert, wo europäische Produzenten Methoden anwenden, dass Kinder bei der Arbeit umfallen wie die Fliegen. Menschenrechte müssen Vorrang vor den Interessen privater Investorinnen und Investoren haben. Ein schönes Ziel, aber wir Europäer dürfen weiterhin Totschlagabkommen mit Ländern der Dritten Welt ratifizieren und dort den Markt derart kaputt machen, dass es für die örtlichen Bauern billiger ist, die importierten Waren aus Europa zu kaufen, anstatt selber zu produzieren. Wir wollen keine Chlorhendl, aber auf das Glyphosat Gemüse im „Feinkostladen Österreichs“ wollen wir nicht verzichten. Wir wollen, dass die kleinstrukturierte Landwirtschaft erhalten bleibt, aber sie soll sich gefälligst daran gewöhnen, dass man sie eigentlich nur zur Landschaftspflege und für das wöchentliche Marktstandl in der Innenstadt und nicht für die Milchproduktion braucht. Noch ein Beispiel aus der Binnenschifffahrt: Was TTIP Gegner befürchten, ist in der europäischen Binnenschifffahrt dank europäischer Gesetzgebung schon längst Standard. Zum Beispiel nützen auch nicht EU Reeder die laxen Sozialgesetze in der EU, um an Bord Schiffspersonal billig beschäftigen zu können. Umgekehrt dürfen auf Schiffen unter US-Flagge grundsätzlich keine ausländischen Arbeitnehmer beschäftigt werden. Ausflaggen und das Wechseln der Flagge wie die sprichwörtliche Unterhose, ist durch EU- Gesetze legitimiert. Schiedsgerichtsbarkeit gibt es schon. Sogar eine abgekoppelte Gesetzgebung durch und mit der Schweiz als nicht EU-Mitglied gibt es schon. Und mit der Schweiz wird Recht über europäische Binnenschiffer gesprochen. Die Schiffe werden von Billigarbeitern gebaut, die in europäischen Massenquartieren sogar verbrennen können, weil es keine ausreichenden EU-Gesetze und Kontrollen gibt. Oder die Schiffe werden gleich zollfrei als billige Massenware aus China importiert. Selbst die mangelnde Transparenz, die durch TTIP herbeigeredet wird, gibt es in der Binnenschifffahrt längst flächendeckend, weil nur ein paar handverlesene Experten als Sachverständige und Juristen entscheiden und die Medien als 4. Macht völlig abgemeldet sind. Und wenn es bei einem Rechtsstreit infolge eines Schiffsunfalls mal so richtig teuer wird, dann zahlt – wie bei TTIP zu erwarten – der Steuerzahler. Der Binnenschifffahrt könnte TTIP in Europa also nicht mehr Sonderbarkeiten bringen, als es eh schon gibt. Höchstens könnte TTIP zu neuen Transportprodukten verhelfen. Zum Beispiel, würde durch TTIP Fracking in Europa erlaubt, könnten allein die dabei entstehenden Abfallmengen den mittelfristig vorhersehbaren Ausfall der Kohletransporte lückenlos ersetzen. “Die letzten Tage der Menschheit” – der TTIP- Kreis schließt sich Wir alle sind betroffen, rufen die TTIP Gegner und warnen vor „den letzten Tagen der Menschheit“. TTIP bedeutet das Aus für ein demokratisches Rechtssystem. Das Ende von Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmer- Innenschutz und das Ende der Lebensmittelsicherheit sowieso. Unsere unglücklichen Bundespräsidentschaftskandidaten wollen sogar das Volk über TTIP abstimmen lassen. Ja genau, wir stimmen gegen TTIP aber als Patrioten für Europa. Weil unsere Errungenschaften schaffen wir schon selber ab. Dafür brauchen wir keine Amis. Wir schaffen das! Wir haben ja unsere eigenen „Experten“ in der EU sitzen. Angela Merkel sagt die Wahrheit, wenn sie behauptet, TTIP wird keine Standards in Europa absenken. Vielleicht wird aber auch nur die schon laufende Absenkung beschleunigt – danach wurde Merkel ja nicht befragt. Bei aller Zurückhaltung vor dem Hintergrund, dass wir über die Geheimakte TTIP noch sehr wenig Fakten wissen, weil es eben noch nicht fertig verhandelt ist, eine gesunde Skepsis ist jedenfalls angesagt. Insbesondere dann, wenn man sich erinnert, dass uns bei der schrankenlosen Öffnung der Finanzindustrie versprochen wurde, wir werden danach in einem Land leben, wo Milch und Honig fließen. Wie sich die EU- Regierungen letztlich zu TTIP entscheiden mag, entkoppeln darf man die eigenen Sauereien von aufgezwungenen US-Schweinereien infolge von TTIP nicht. Das trägt nicht zur Glaubwürdigkeit bei. Denn im Ergebnis macht es für den Bürger keinen Unterschied, ob man von der EU-Misswirtschaft oder von den TTIP Folgen über den „großen Teich“ gezogen wird. Man könnte es auch drastischer formulieren, der EU Bürger hat die Wahl zwischen erschießen oder aufhängen lassen. Weiß oder ungültig wählen hilft da leider gar nichts. Die Briten haben den dritten Weg gewählt. [PB] PETER BAUMGARTNER „TTIP & EU-PROJEKT GEWINNER HABEN GLEICHE ADRESSE" 43

LOGISTIK express informiert

https://logistik-express.com

© Copyright 2023 | LOGISTIK express | MJR MEDIA WORLD