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LE-3-2010

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LOGISTIK express Fachzeitschrift

Unternehmer Eine

Unternehmer Eine verbindliche Definition für kleine und mittlere Unternehmen gibt es nicht. Lediglich eine „Empfehlung betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen“ dient als Anhaltspunkt für die Zuordnung der Unternehmen nach ihrer größenmäßigen Gliederung. Als KMU werden demnach Betriebe bezeichnet, wenn die Mitarbeiterzahl kleiner als 250 ist. Die Zahlen sprechen jedenfalls eine eindeutige Sprache: Mehr als 99 Prozent der Betriebe in Österreich sind KMU. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen beschäftigen weniger als zehn Mitarbeiter. Es sind rund 1.500 Betriebe, die mehr als 250 Mitarbeitern Arbeit geben – aber rund eine Viertelmillion Unternehmen, die unter 250 Mitarbeiter beschäftigen. „Erfolgreiche Verlierer?“ Eine aktuelle Repräsentativ-Befragung zeigt auf, dass die Österreicher die KMU als benachteiligte „Lobby-Verlierer“ und andererseits als „Retter in der Wirtschaftskrise“ sehen. Die Mehrheit glaubt, dass die Konzerne und die „Politik“ weit mehr als die KMU vom Lobbying profitieren. Studien-Auftraggeber Wolfgang Lusak: „Die Menschen machen offenbar einen Unterschied zwischen denjenigen, welchen sie vertrauen und denjenigen, welche die Macht haben.“ Eine vergleichende KMU-Befragung von Lusak verstärkt diese Eindrücke noch: 94 Prozent der KMU glauben, dass für sie zu wenig Lobbying betrieben wird. 62 Prozent der Österreicher glauben laut der von Lusak beauftragten Gallup-Studie (1.000 Österreicher wurden befragt), dass für KMU (etwas bis viel) zu wenig Lobbying betrieben wird. Im Vergleich zu 2008 hat sich diese Einstellung noch verstärkt. 66 Prozent sehen die Bild: Das Gefahrgutlager in Linz Konzerne, 58 Prozent die Politik und nur 38 Prozent die KMU als Nutznießer des Lobbyings. Bei den „Lobbying-Insidern“ (Lobby- Begriff-Kennern) ist dieser Eindruck noch ungünstiger für die KMU: 89 Prozent von ihnen sehen die Konzerne, 72 Prozent die Politik und 45 Prozent die KMU als Nutznießer des Lobbyings. Lusak: „Das ist aber sicher auch von den aktuellen Berichten über Industriestandort- und Bankenrettungen beeinflusst.“ Als besonders interessant bezeichnet Lusak in diesem Zusammenhang den Vergleich mit einer Gallup-Studie vom September 2009, denn: „Die gleichen Menschen, die bei den KMU viel zu wenig ‚Lobbying-Macht‘ sehen, trauen ihnen am ehesten zu, Österreich aus der Krise zu führen.“ Laut dieser Studie halten die Österreicher die KMU für doppelt so befähigt, das Land aus der Krise zu führen, wie die Regierungspolitiker, als dreimal so fähig wie die Finanzwirtschaft und viermal so fähig KMU, das unbekannte Wesen? Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden das Rückgrat der Wirtschaftslandschaft und haben damit wesentlichen Einfluss auf die ökonomische Struktur. Dies gilt für die gesamte Europäische Union und im Besonderen für Österreich, wo der unternehmerische Mittelstand noch stärker ausgeprägt ist. Redaktion: Paul Christian Jezek wie EU und Konzerne. „Das ist kein Widerspruch“, meint Lusak. „Die Menschen erleben täglich in den Medien, wer den Ton angibt und im Beruf, wer echte Wertschöpfung für Österreich erbringt. Das Vertrauen in die mittelständische Wirtschaft ist enorm!“ PAUL CHRISTIAN JEZEK Buchautor & Journalist Redaktion Logistik express Lusak zieht folgende Schlussfolgerungen aus den Befragungsergebnissen: „Zuerst einmal erwecken die krisenbedingten Rettungseinsätze von Regierungen für Banken, Großfirmen und ‚sozial Schwache‘ den Eindruck, dass der Mittelstand ‚überbleibt‘. Die Menschen haben das Gefühl, dass in unseren westlichen Demokratien mehr für oben und unten, links oder rechts gemacht wird, aber zu wenig für die Mitte. Wenn die KMU als ‚Wirtschaftsflügel‘ des Mittelstandes den Profi-Lobbyisten in Konzernen und Sozialpolitik nicht weiter zu viel Feld überlassen wollen, dann sollten sie ihr Lobbying neu aufstellen! Lusak resümierend im Logistik express-Interview: „Die KMUs haben sensationelle Potenziale, Ideen und Innovationen parat, aber ohne professionelles Lobbying sind ihre Finanzierungen und Realisierungen kaum durchsetzbar. Wenn die internationale Staatengemeinschaft der zunehmenden Dominanz der Konzerne und Finanzwirtschaft nicht Herr wird, muss sie weltweite Gesetze für Eindämmung und Zerschlagungen schaffen. Es sollte mehr Geld in regionale, nachhaltige Wirtschaft, in Forschung & Entwicklung der KMU, in erneuerbare Energie und in die Ausbildung der Menschen investiert werden.“ „Akuter Handlungsbedarf!“ Eine weitere aktuelle KMU-Untersuchung – von der YouGov Psychonomics AG wurden 1.000 KMU zwischen 1 und 250 Mitarbeitern befragt – kritisiert vor allem die öffentliche Hand sowie die österreichischen Interessensvertretungen. Demnach sind 92 Prozent (!) aller KMU mit der Steuern- und Abgabenhöhe unzufrieden, 90 Prozent kritisieren die Ausschreibungsmodalitäten der öffentlichen Hand, 86 Prozent können sich mit den wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung nicht identifizieren (kein einziger (!!!) Betrieb war/ ist mit den wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung „sehr zufrieden“), 81 Prozent sehen Handlungsbedarf bei den Förderungs-angeboten für KMU und 77 Prozent sind mit der Unterstützung der Interessensvertretungen wenig bis gar nicht zufrieden. Neben den unternehmerischen Dauerbrennern wie speziellen Förderungsangeboten für KMU, Senkung der Lohnnebenkosten, Bürokratiereduktion, Investitionserleichterungen sowie schnellerer Abschreibungsmöglichkeit von Investitionen, gilt es die Signale jener, die für das Funktionieren der Volkswirtschaft in der Realität verantwortlich sind, aufzugreifen. „Es ist höchste Zeit, die mittelständische Wirtschaft – auch in den Interessensvertretungen – stärker zu berücksichtigen. Über drei Viertel negatives Feedback für die Kammerorganisation fordert nach einer Korrektur dieser Schieflage zu Gunsten der österreichischen KMU“, gibt sich YouGov Psychonomics-Managerin Dr. FOTO: istockphoto.com 8 LOGISTIK express 3|2010 www.logistik-express.com

Unternehmer Birgitta Wallner kämpferisch. Das vergangene Jahr 2009 sieht die heimische mittelständische Wirtschaft jedenfalls als (sehr) schlechtes/ schwieriges Jahr, mehr als die Hälfte der KMU glaubt jedoch an eine positive Entwicklung 2010. Den nächsten fünf Jahren bis 2015 stehen drei Viertel der Unternehmen wiederum positiv gegenüber. Die Ertragspotenziale werden vornehmlich im eigenen Land gesehen. Über zwei Drittel haben Österreich im Fokus, weitere 22 Prozent konzentrieren sich auf die D-A-CH – Region (Deutschland/ Österreich/ Schweiz). Lediglich vier Prozent sehen ihre künftigen Chancen in Osteuropa und zwei Prozent in Asien/Indien/China. Betriebsintern gut aufgestellt Hinsichtlich Firmenstandort sowie dem eigenen Produktportfolio beurteilen sich die österreichischen KMU selbst als gut aufgestellt. „Hinsichtlich der Eigen- und Risikokapitalausstattung für Innovationen und Expansion hingegen ortet man Verbesserungspotenzial. In den kommenden zwölf Monaten steht in den KMU eine Reihe von Aktivitäten auf dem Programm. Fast jeder siebente Betrieb plant Reorganisationsmaßnahmen, 47 Prozent wollen ihre Produkt- bzw. Dienstleistungspalette erweitern. 40 Prozent beabsichtigen in Aus-und Fortbildung zu investieren, ein Drittel möchte den Bereich Forschung und Entwicklung ausbauen. Auf der anderen Seite plant rund jeder dritte Betrieb eine Reduktion des Personalstammes. Nur zwölf Prozent haben vor, Personal aufnehmen. Auch bei Akquisitionen und Finanzinvestitionen sind die Unternehmen noch zurückhaltend. Auf der Bremse stehen die KMU außerdem bei Sachinvestitionen. Betriebe trotz Krise optimistisch Der Satz „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ fehlt in kaum einem Artikel oder Buch über Statistik. Er wird im Allgemeinen dem britischen Politiker Winston Churchill zugeschrieben, doch ist dies nicht belegbar. Möglicherweise stammt er vom deutschen Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, der diese Aussage Churchill andichtete – und jedenfalls fühlt man sich daran erinnert, wenn man die obigen Umfragen mit jener des IMAS Instituts unter 900 Geschäftsführern und Führungskräften vergleicht, die heuer im Frühling im Auftrag der Erste Bank und Sparkassen durchgeführt wurde. Rund die Hälfte der KMU rechnet nach dieser Untersuchung nämlich in den nächsten drei bis fünf Jahren mit einer Steigerung der Kundenanzahl und steigenden Umsätzen. „Das ist für uns ein überraschendes Ergebnis“, so Thomas Uher, Firmenkundenvorstand der Erste Bank. „Vor allem kleinere Betriebe im Burgenland, Wien und Vorarlberg zeigen sich optimistisch und trotzen der negativen Stimmung.“ Gleichzeitig dürften sich die Unternehmer jedoch vor allem Sorgen über hohe Personalkosten machen. 57 Prozent aller Firmen gehen von steigenden Gehältern und Sozialleistungen aus. Als größte wirtschaftliche Herausforderungen sehen KMU die Gewinnung von Neukunden, die Bindung bestehender Kunden und den Ausbau der Konkurrenzfähigkeit. Dennoch glaubt ein Drittel der KMU daran, seine Marktposition in den nächsten Jahren ausbauen zu können. Eine Expansion ins Ausland dürfte dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen (nur sechs Prozent). Als Erfolgsrezept werden vor allem intensive Kooperationen mit anderen Unternehmen und die Modernisierung des eigenen Betriebs gesehen - mehr als 40 Prozent wollen ihre Ausgaben in diesem Bereich erhöhen. Dies wirkt sich direkt auf den Finanzierungsbedarf der KMU aus, der künftig vor allem im Bereich Investitionen bzw. Modernisierung gesehen wird. Rückblickend hat die Wirtschaftskrise nur einen Teil der Betriebe stark erfasst. Knapp 80 Prozent der KMU sind davon überzeugt, dass sich die Krise im Vorjahr nur „etwas“ bzw. gar nicht auf ihr Unternehmen ausgewirkt hat. Nur rund ein Fünftel (21 Prozent konstatiert deutliche Auswirkungen auf den Betrieb. Im Vergleich wurden mittlere Unternehmen etwas stärker von der Krise getroffen als kleine. 70 Prozent der steirischen Unternehmen geben an, „die Krise sehr oder etwas zu spüren bekommen zu haben“. Niederösterreichische Unternehmen zeigen sich hingegen am ehesten krisenresistent: Nur 12 Prozent geben an, die Krise „stark zu spüren“. „Natürlich spüren Länder mit industriellen Strukturen die Krise verstärkt“, meint der Firmenkundenchef der Erste Bank. Für die Zukunft zeigt sich ein Großteil der KMU überaus optimistisch und von einer positiven Wirtschaftsentwicklung überzeugt: 26 Prozent der Unternehmen rechnen schon in einem Jahr mit einer Erholung, weitere 29 Prozent erwarten den Aufwärtstrend binnen zwei Jahren. Weniger als ein Drittel ist pessimistischer und glaubt, dass der Aufschwung noch drei Jahre oder länger auf sich warten lassen wird. 92 Prozent aller österreichischen KMU verfügten 2009 nach eigener Angabe übrigens über einen ausreichenden Kreditrahmen und 73 Prozent der Unternehmen sehen auch für die nächsten ein bis zwei Jahre keinen zusätzlichen Finanzierungsbedarf in Form von Bankkrediten. 19 Prozent aller befragten Unternehmer hingegen sehen einen deutlichen Bedarf für Finanzierungen. (PJ) GaSTKOMMENTAR zwei klassen Es ist geradezu absurd, wie verständnis-, ja geradezu liebevoll Österreichs Regierung die ÖBB stets zu behandeln pflegt. Der defizitäre, hoch Dr. Peter Muzik verschuldete und traditioneller Weise miserabel gemanagte Staatsbetrieb kann sich allzeit auf staatliche Unterstützung verlassen: Egal, was sich die verantwortlichen ÖBB-Bosse in den letzten Jahren alles an Dummheiten geleistet haben, unabhängig davon, wie viel sie auf stümperhafte Weise verspekuliert haben - die Bahn bleibt ein politisches Liebkind, das stets mit Steuergeldern zwecks Verlustabdeckung rechnen darf. Jawohl, ohne ÖBB würde Österreich nicht funktionieren, keine Frage. Aber ohne die heimischen Logistikunternehmen eben so wenig - und das ist der Punkt. Würden die Chefs der österreichischen Speditionen genau so wie ihr Gegenüber bei der Bundesbahn Narrenfreiheit genießen und ihre Betriebe an den Rand des Ruins lenken, dann weiß man schon, was geschähe: Wenn sie genau so versagen, würde das ihre Unternehmen schmerzlich, vielleicht sogar tödlich treffen. Faymann, Bures & Co. würden in derartigen Fällen allerdings nicht einmal mit einem Ohrwaschel wackeln. Unternehmen in privater Hand haben es in dieser Zwei-Klassen-Gesellschaft eben weitaus schwerer als staatlich dominierte. Sie können allerdings heilfroh sein, dass für andere strengere Spielregeln gelten als für die ÖBB. Denn genau das ist die Grundvoraussetzung, dass es bei ihnen erfolgreich laufen kann und muss - wie auf Schienen... Dr. Peter Muzik ist langjähriger Wirtschaftspublizist (u.a. Wirtschaftsmagazin „trend“, Special-Interest-Tageszeitung „WirtschaftsBlatt“ und „Wiener Zeitung“) sowie Inhaber der auf Medien-Resonanz- Analyse spezialisierten Consultingfirma PUBLIC & MEDIA. www.logistik-express.com LOGISTIK express 3|2010 9

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