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LE-3-2010

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LOGISTIK express Fachzeitschrift

Märkte Das Königreich

Märkte Das Königreich Spanien mit der Hauptstadt Madrid liegt im Südwesten Europas und umfasst inklusive der Balearen, Kanaren und aller Inseln rund 504.645 km². Das Staatsoberhaupt der parlamentarischen Erbmonarchie ist der wohlbekannte König Juan Carlos I., hinzu kommt der Regierungspräsident José Luis Rodríguez Zapatero. Vor der Krise betrug das BIP 1,1 Billionen Euro, wodurch Spanien zur achtgrößten Volkswirtschaft weltweit aufstieg. Es folgte ein drastischer Einbruch in der zweiten Jahreshälfte 2008, gefolgt von einem Wirtschaftsrückgang im Jahr 2009 um 3,6 Prozent. Für 2010 wird ein BIP-Rückgang von 0,5 Prozent erwartet. Trotzdem bleibt das EU-Mitglied Spanien mit mehr als 46.950.000 großteils katholischen Einwohnern ein ebenso interessanter Konsumgütermarkt wie Produktionsstandort. Die stärksten Einbußen verzeichneten – nicht zuletzt aufgrund der geplatzten Immobilienblase – die Wohnbaubranche und der Automobilsektor, was sich auch drastisch auf die Arbeitsmarktsituation auswirkte: im Dezember 2009 lag die Arbeitslosenrate bei stolzen 19,5 Prozent, nachdem sie 2007 lediglich 8,2 Prozent betragen hatte. Infrastrukturmaßnahmen sollen helfen, diese hohe Quote wieder zu senken. Infrastruktur-Ausbau Im April veröffentlichte die spanische Regierung Pläne für ein außerordentliches Infrastrukturprogramm für 2010 bis 2011 in der Höhe von 17 Mrd. Euro, von denen 70 Prozent in Bahnprojekte und 30 Prozent in den Straßensektor fließen sollten. Aufgrund der dringenden Sparmaßnahmen wurde dieses Paket jedoch aufgeschnürt: von den aktuell 1.166 Straßen- oder Eisenbahnprojekten werden 20 Prozent eingestellt oder für bis zu vier Jahre eingefroren, wobei zwölf der einzustellenden 32 Projekte mittels öffentlich-privater Finanzierung umgesetzt werden sollen. Generell verfolgt Spanien hinsichtlich des Infrastruktur-Ausbaus ein sehr interessantes Modell: Um den ohnehin defizitären Staatshaushalt zu entlasten, sollen Baufirmen 20 Prozent der Startinvestition selbst tragen, die weitere Finanzierung erfolgt über private und öffentliche Bankinstitute. Sobald die Bauprojekte dann in Betrieb sind, sollen die Infrastrukturbetreiber die Investition mittels eines jährlichen Kanons (entsprich einem Grundzins, Anm.) mit einer Laufzeit von 25 bis 30 Jahren vom Staat zurückerhalten. Die Betreiberfirmen tragen zwar das Baurisiko, entgegen früherer Modelle jedoch nicht das Nachfragerisiko. Bereits jetzt verfügt Spanien über ein gut ausgebautes Straßen- und Autobahnnetz von 663.795 km Länge, es gibt gebührenfreie (autovías) Zwischen Stierkampf und Fußball Die Einen denken bei Spanien an das Siegerland der Fußball-Weltmeisterschaft 2010, die Anderen an Corridas, die Stierkämpfe. Doch zwischen Breitensport und schnaubenden Stieren bleibt viel Platz auf der iberischen Halbinsel für die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wie sieht es aus in dem Land, das von der Wirtschaftskrise härter getroffen wurde als die meisten anderen Länder Europas? Redaktion: aNGELIKA THALER und gebührenpflichtige Autobahnen (autopistas). Interessant: nicht nur Warnwesten und zwei Warndreiecke sind Pflicht, sondern auch Reservelampen für die Fahrzeugbeleuchtung werden bei Kontrollen verlangt. Lage & Co Spanien liegt sowohl am Mittelmeer als auch am Atlantik, wodurch die Schifffahrt nicht erst seit den Zeiten der spanischen Armada eine wichtige Rolle spielt. Die größten Seehäfen sind Algeciras, Barcelona, Valencia, Bilbao, Gijón und Santa Cruz de Tenerife. Durch Talsperren zur Wasser- und Energieversorgung sind mit Ausnahme des Guadalquivir zwischen Sevilla und dem Atlantik die Flüsse nicht mehr schiffbar. Während das Bahnnetz der staatlichen Eisenbahngesellschaft RENFE traditionell als Breitspur angelegt ist, gibt es zusätzlich ein normalspuriges Hochgeschwindigkeitsnetz AVE mit etwa 1.543 km Länge. Der größte internationale Verkehrsflughafen ist Madrid-Barajas, die weiteren wichtigsten Flughäfen sind in Valencia, Barcelona, Palma de Mallorca, Málaga, Gran Canaria, Alicante und Teneriffa Süd. Obwohl man mit diesen FOTO: istockphoto.com 38 LOGISTIK express 3|2010 www.logistik-express.com

MÄRKTE Namen gedanklich meist den Sommerurlaub, Sonne und Strand verbindet, müssen sich beispielsweise LKW-Fahrer durchaus auch mal warm anziehen. In Spanien gibt es nämlich neben Traumstränden auch Hochgebirge mit Schneefall. Beginnend mit Atlantischem Klima an der nördlichen Atlantikküste über Kontinentales MIttelmeerklima wie etwa in Andalusien bis hin zu Subtropischem Klima auf den Kanaren ist für jeden Geschmack etwas dabei. Die Niederschlagsmenge nimmt von Norden nach Süden stetig ab. Aktuelle Chancen Auch wenn der wirtschaftliche Aufschwung noch am Anfang steht, ist der Zeitpunkt für Geschäftsideen günstig. „Viele Unternehmen sind jetzt offen für neue Firmenkontakte und Partner, um besser aufgestellt zu sein, wenn der Konjunkturmotor wieder voll anläuft“, weiß Mag. Friedrich Steinecker, der österreichische Handelsdelegierte für Österreich an der Außenhandelsstelle Madrid. Man müsse nur berücksichtigen, dass Bonitätsauskünfte nicht immer die aktuelle Situation widerspiegelten, daher sei ein gewisses Maß an Vorsicht angebracht. Die Kreditvergabefreudigkeit der Banken hält sich zwar noch in Grenzen, allerdings: „Seit dem positiven Banken-Stresstest spürt man eine Verbesserung, langsam geht es wieder in Richtung Normalisierung“, vermeldet Steinecker und fügt augenzwinkernd „Viele Unternehmen sind jetzt offen für neue Kontakte.“ friedrich steinecker hinzu: „Spanien ist nicht Griechenland.“ Daher appelliert er an alle Interessenten, sich nicht vertreiben zu lassen: „Bald 47 Millionen Konsumenten und gute wirtschaftliche Verknüpfungen mit Latein- und Nordamerika sind nur zwei der Anreize, die Spanien zu bieten hat.“ Da der Großteil der Industrie auf dem Automobilsektor beruht, ist die Erholung der spanischen Wirtschaft an die Entwicklung der Branche geknüpft, die glücklicherweise in den letzten Wochen bereits vorsichtige Erfolgsmeldungen verlautbart. Steinecker: „Grundsätzlich muss man erst beweisen, dass etwas NICHT funktioniert – egal auf welchem Sektor, Chancen gibt es überall.“ Laut aktueller Statistik wurden im ersten Quartal 2010 bereits wieder Waren im Wert von 467.860.465 Euro nach Spanien exportiert, der Importwert betrug immerhin noch 409.224.471 Euro (Quelle: Statistik Austria, vorläufige Werte). Damit nimmt Spanien den 14. Länderrang in der Österreichischen Außenhandelsstatistik ein. Friedrich Steinecker AUSSENWIRTSCHAFT ÖSTERREICH Medizin und Energie Obwohl dem Ideenreichtum von Investoren für einen Markteintritt kaum Grenzen gesetzt sind, gibt es ein paar Bereiche, in denen die Nachfrage besonders hoch ist. Zu diesem Zweck hat auch die Außenhandelsstelle ein Schwerpunktprogramm gestartet: erneuerbare Energie (insbesondere Biomasse), nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz, Holzbau und Infrastruktur (insbesondere Hochgeschwindigkeitseisenbahn und Tunnelbau) sind nur einige der enthaltenen Themen (Quelle: AWO-Wirtschaftsreport Spanien 2009). „Auch bei der Tourismusinfrastruktur, wie etwa dem Bau von Schistationen und Hotelsanierungen sowie im Bereich der Medizintechnik und Gesundheitsvorsorge ist offensichtlicher Bedarf gegeben“, ergänzt Steinecker. Derzeit sind österreichische Konsumgüter in Spanien eher schwach vertreten, „dabei sind gerade Nahrungsmittel wie Joghurt, Käse und Schokolade aus Österreich sehr gefragt.“ Sachertorte & Co. „Österreich genießt historisch, kulturell und touristisch einen Imagevorteil bei Spaniern“, verrät Steinecker, „viele kommen auf Kulturvisite nach Wien, Salzburg oder Graz und gewinnen so einen guten Bezug. Für die Mehrheit der Spanier ist auch das Neujahrskonzert ein absolutes Pflichtprogramm! Und die Sachertorte wird schon fast von jeder Bäckerei nachgeahmt. Diese Sympathie überträgt sich, und wir werden offen und freundlich empfangen.“ Auf Geschäftsebene seien Österreicher für sehr gute Qualität und fortschrittliche Nischentechnologien bekannt, erwartet würden eine hohe Flexibilität und das Eingehen auf Kundenwünsche. Vertrauen schaffen Spanien präsentiert sich als europäisches Land mit freiem Markt, das in alle Richtungen offen ist. Doch wer erfolgreich Geschäfte mit Spaniern machen möchte, sollte vor allem eines bedenken: „Der rasche persönliche Kontakt ist das Wichtigste, um Vertrauen herzustellen und Wertschätzung zu zeigen. Und obwohl für den Erstkontakt Englisch ok ist – für nachhaltige und langfristige Geschäftsbeziehungen, insbesondere bei technischen Produkten, ist die spanische Sprache unabdingbar“, spricht Steinecker aus Erfahrung. Die offizielle Amtssprache ist Kastilisch/Spanisch, häufig wird zudem Katalanisch, Galicisch und Baskisch gesprochen. Ein schwerer Fehler sei laut Steinecker auch, bei bestehenden Geschäftsbeziehungen nicht zumindest ein bis zwei Mal pro Jahr ein Treffen abzuhalten. „Auch eine Einladung nach Österreich wird gern gesehen, und für ein gemütliches gemeinsames Essen muss unbedingt Zeit sein“, rät Steinecker. Ein gut aufgebautes Vertrauensverhältnis könne dafür im Gegenzug durchaus Vertragsverhandlungen erleichtern. Wer ein Gastgeschenk mitbringen möchte, sollte sich schon ein bisschen Mühe geben, denn „Das Detail zählt mehr als der Wert. Aber eine echte Sachertorte oder Mozartkugeln, liebevoll verpackt, kann einem die Türe ein kleines Stückchen weiter öffnen“, meint er. Das Vertrauen steht also an erster Stelle, schlussendlich müssen aber natürlich auch das Produkt und die Dienstleistung den Vorstellungen der potenziellen Geschäftspartner entsprechen. Übrigens: Findet jemand das ihm überreichte Geschenk „interessant“, sollten Sie sich das nächste Mal lieber etwas Besseres ausdenken – wenn es denn ein nächstes Mal gibt. ANGELIKA THALER Redaktion Logistik express Fazit Spanien hat tatsächlich mehr zu bieten als Fußball, Stierkampf und den Ballermann. Wer ernsthaftes Interesse an einer Geschäftsbeziehung hat und bereit ist, die Sprache zu lernen – oder zumindest einen diesbezüglich kompetenten Entscheidungsträger einzusetzen – hat als Österreicher alle Chancen, die man sich vorstellen kann. Natürlich gehören eine gute Idee, Mut zur Umsetzung, eine gewisse Vorsicht und die übliche Portion Glück dazu, um in einem neuen Markt Fuß zu fassen – wie in jedem anderen Land der Erde auch. Die europäische Ausrichtung und der starke Hunger nach Aufschwung machen Spanien aber vielleicht um das entscheidende Bisschen interessanter als so manch anderes Land. (AT) www.logistik-express.com LOGISTIK express 3|2010 39

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