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LE-3-2008

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LOGISTIK express ZEITSCHRIFT EPAPER

LOGEXP_3_2008_END.qxp 21.09.2008 14:14 Uhr Seite 30 IM GESPRÄCH Das Bundesheer im Tschad: Auf die militärische Versorgung angewiesen Beschaffungslogistik - Wo nimmt das Heer das alles her? Die moderne Logistik ist eine Wissenschaft, die an den Universitäten gelehrt wird und sich - vereinfacht gesagt - mit der planmäßigen Verfügbarstellung von Waren, Informationen und mitunter Personen beschäftigt. Die vier Hauptdimensionen dabei sind Art, Menge, Zeit und Ort. Die Verschärfung des Wettbewerbs erfordert die ständige Optimierung der angewandten Verfahren. Ein Kernbereich dabei ist die Bereitstellung inklusive der Beschaffung der erforderlichen Güter. Im Militärwesen, das sich seit jeher mit dem Nachschub beschäftigen musste, entsteht heute eine Diskrepanz zwischen betriebswirtschaftlichen und militärischen Notwendigkeiten. Brigadier Dr. Christian Tauschitz, Leiter der Direktion Rüstung und Beschaffung, und Brigadier Mag. Guido Rossbory, Leiter der Abteilung Materialwirtschaft, standen LOGISTIK EX- PRESS für eine Bestandsaufnahme des militärischen Beschaffungswesens in Österreich zur Verfügung. Der Ursprung des Begriffes ‚Logistik' liegt im französischen Militär bei der ‚Logistruppe', die für Unterkunft und Verpflegung verantwortlich war. Die Logistik des österreichischen Bundesheeres besteht heute aus einem komplizierten Geflecht von Bestimmungen und sich teilweise ausschließenden betriebswirtschaftlichen und militärischen Notwendigkeiten. TEXT: STEPHAN HOFSTäTTER BRIGADIER DR. CHRISTIAN TAUSCHITZ, Leiter der Direktion Rüstung und Beschaffung Vom Quartiermeister zum Logistiker Die Logistik als Fachkunde wurde im Militär entwickelt. Es entstammt vermutlich aus der französischen Kriegsgeschichte, wo das Wort ‚logis', soviel wie Unterkunft bedeutet und für deren Sicherstellung eigene Kommanden eingerichtet wurden. Im Deutschen wurde daraus der Quartiermeister. Dessen Kernaufgabe war die Sicherstellung der Truppenversorgung in Form von Unterkunft und Verpflegung. Bis ins 18. Jahrhundert wurden die dafür erforderlichen Mittel ganz einfach im Feindesland ‚requiriert', also beschlagnahmt. Ein komplexes Beziehungsgeflecht Die Logistik des österreichischen Bundesheeres ist - wie Guido Rossbory treffend meint - in ein "Korsett an haushaltsrechtlichen Bestimmungen" geschnürt. Egal ob handelsübliche 30 LOGISTIK express 3|2008 www.logistik-express.at

LOGEXP_3_2008_END.qxp 21.09.2008 14:14 Uhr Seite 31 IM GESPRÄCH Güter wie eine Zündkerze für den Rasenmäher, Druckerpatronen, Computer oder PKWs, oder Rüstungsgüter wie Panzer und Kanonen gebraucht werden, die Bereitstellung des Gebrauchten ist sorgsam geregelt und unterliegt einem komplizierten Geflecht aus Bestimmungen und Gesetzen. Grundsätzlich leitet das Bundesheer die zu beschaffenden Güter aus seinem politischen Auftrag ab, die Souveränität Österreichs militärisch zu sichern. Dazu muss das Heer bestimmte Aufgaben erfüllen können, weshalb zunächst ein Katalog von geforderten Fähigkeiten erstellt und aus dem gefolgert wird, welche Ausrüstung und Ausstattung das Bundesheer in welcher Situation braucht. Dieses Ergebnis wird mit dem vorhandenen Material verglichen und die Bereitstellung der fehlenden Komponenten beauftragt. Die Beschaffung dafür ist typisiert in zentral, dezentral und delegiert. Rüstungsgüter werden in der Regel zentral beschafft, handelsübliche Güter großteils dezentral. Um mehr Wirtschaftlichkeit in die Beschaffung der Dienststellen des Bundes zu bringen, wurde vor sieben Jahren die BundesbeschaffungsgesmbH, kurz BBG, gegründet, eine hundertprozentige Tochter des Finanzministeriums, die als zentraler Einkäufer des Bundes die Bedarfe aller Bundesdienststellen bündelt. Dazu gehört natürlich auch das Bundesheer. Für mehrere Produktgruppen (darunter fallen IT- Ausstattung, Werkzeuge, Energie, Telefonie und dergleichen) sind die Bedarfe zwingend an die BBG zu melden und aufgrund der großen Bestellmengen erhält die BBG am Beschaffungsmarkt dann eine entsprechend starke Position. Außerdem ist die Beschaffung beim Bundesheer nach dem Bundesvergabegesetz geregelt. Dieses Gesetz ist die nationale Umsetzung einer EU-Richtlinie, welche die genauen Verfahrensschritte im Beschaffungsvorgang vorschreibt. Betroffen davon sind handelsübliche Güter, die beispielsweise EU-weit ausgeschrieben werden müssen. "Das Bundesvergabeamt legt hier einen strengen Maßstab an", erklärt Rossbory, "die eigene Industrie zu bevorzugen, ist nicht möglich." Explizit von dieser Richtlinie ausgeschlossen ist Kriegsmaterial, das per Definition für den militärischen Einsatz beschafft wird. BRIGADIER MAG. GUIDO ROSSBORY, Leiter der Abteilung Materialwirtschaft Die Grenzen der Betriebswirtschaft Das Bundesheer handelt betriebswirtschaftlich, doch das hat seine Grenzen: "Wir sind kein Handelsunternehmen, das seine Warenströme ausschließlich nachfrageorientiert steuert, Bestände optimiert und Tätigkeiten outsourct", erklärt Rossbory, "man soll auch nicht lemminghaft hinter den betriebswirtschaftlichen Newsflashs nachhetzen. Stichwort new economy." "Das Heer hat Kernkompetenzen, die es nicht aus der Hand geben darf, und die Organisation ist stabil zu halten, um auch wirklich dann helfen zu können, wenn andere dazu nicht mehr in der Lage sind", ergänzt Tauschitz. Eine solche Kernkompetenz sind die zahllosen Assistenzeinsätze des Heeres, die nicht möglich wären, agierte das Heer nach Kriterien der reinen Betriebswirtschaftslehre. Dabei ist regelmäßig rasche Hilfe gefordert, die oftmals eine Ausrüstung in Art und Anzahl erfordert, welche in der kurzen Zeit nicht verfügbar gestellt werden kann. Auch die logistische Verantwortung für die 150 österreichischen Soldaten, die derzeit im Tschad im Auslandseinsatz sind, lässt eine rein betriebswirtschaftlich ausgerichtete Versorgung nicht zu. Selbstverständlich kommen auch beim exterritorialen Einsatz betriebswirtschaftliche Grundsätze zur Anwendung, das Leben und die Sicherheit der Soldaten steht aber bei allen Entscheidungen im Vordergrund. Und dabei kann es vorkommen, dass eine Anordnung abseits des betriebswirtschaftlichen Optimums getroffen wird. Man nennt dies "Einsatzrelevanz" und hier "werden die Pfade der reinen Betriebswirtschaftslehre schon einmal verlassen", so Rossbory. Die Kirche im Dorf lassen Manches Mal muss auch das Optimum korrigiert werden. Backwaren, zum Beispiel, werden nach kläglich gescheiterten Versuchen einer gebündelten Beschaffung wieder regional eingekauft. "Weder der Bestbieter noch der Zweitgereihte im Vergabeverfahren waren in der Lage, österreichweit die Backwaren zu liefern", erzählt Rossbory. "Nicht einmal pro Bundesland hat das funktioniert." Daher kommen heute wieder die lokalen Bäcker zum Zug, die bedarfsgerecht die Kasernen und Dienststellen beliefern können, wobei dem gesetzlichen Auftrag folgend der Bestbieter zum Zug kommt. Die Optimierung Der Optimierungsgedanke setzt sich also auf allen Ebenen und in allen Bereichen durch, denn auch das österreichische Bundesheer steht unter der dauernden Anspannung, knappe Mittel bestmöglich einzusetzen. Die Herausforderung liegt daher in der Steigerung der Effizienz unter Beachtung der Erfüllbarkeit des politischen Auftrages bei ständiger Reduktion der verfügbar gestellten Finanzmittel. FOTOS: ROSSBORY Bundesheer im Assistenzeinsatz: Kein betriebswirtschaftliches Optimum www.logistik-express.at LOGISTIK express 3|2008 31

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