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LE-2-2011

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TRANSPORT / Schifffahrt

TRANSPORT / Schifffahrt Binnenschifffahrt: Jammern auf hohem Niveau Die aktuelle Future Business Austria (FBA)-Studie nimmt für sich in Anspruch, ein unabhängiger und umfassender Zustandsbericht aller österreichischen Infrastrukturbereiche zu sein. Dabei kommen die Autoren zum Schluss, dass Österreich dringend eine Gesamtinfrastrukturstrategie nach Schweizer Vorbild. Redaktion: Peter Baumgartner Insgesamt orten die Studienautoren in Österreich in allen Infrastrukturbereichen einen vielfachen Aufholbedarf, weil sie meinen, der internationale Wettbewerbsvorteil schwindet. Zustande gekommen ist das Studienergebnis u.a. durch die Auswertung eines Fragebogens von 240 Wirtschaftstreibenden, 100 Experteninterviews und nicht näher bekannten FBA-Studien im Zeitraum von Juli bis August 2010. Etwa zur gleichen Zeit hat Miebach Consulting eine Logistikstudie über den Standort Österreich erarbeitet, die allerdings zu deutlich optimistischeren Ergebnissen als FBA kommt. Die bei Miebach befragten 130 Unternehmen zeichnen nämlich durchwegs eine positive Grundstimmung und stehen voll hinter dem Standort Österreich – obgleich auch sie durchaus Verbesserungspotential sehen. Im Gegensatz zur FBA-Studie, ist die Miebach-Befragung jedoch transparenter. Bei FBA ist die Befragten- und Expertenliste geheim. Allerdings gab es Ende 2010 eine öffentliche Präsentation. Auch die Schweizer Nachbarn haben ihre Infrastruktureinrichtungen aktuell untersucht. Zur Überraschung sind dort alle Parteien mit den Aktivitäten der zuständigen Verwaltung gar nicht zufrieden. Sie finden ihre Infrastrukturplanung „zu wenig ambitiös“ und verlangen umfassende Verbesserungen. Anders als in Österreich, ist der Themenzugang in der Schweiz allerdings umfassender. So berücksichtigt die Schweiz zum Beispiel auch die touristische Infrastruktur. Für die Schweizer ist es auch klar, dass viele Infrastrukturplanungen mit Einfluss auf die nationale Infrastruktur auf europäischer Ebene erfolgen. Womit das Thema insgesamt sehr europäisch ist und sich daher nationale Infrastrukturplanungen möglichst nahtlos in die Gesamtstrategie der EU einfügen sollen. Ganz deutlich zeigt sich dies im Bereich der Binnenschifffahrt, die vom FBA-Report ganz allgemein als „Schifffahrt“ abgehandelt wird und nicht zwischen Hochsee, Binnenschifffahrt und Cargo/Fahrgastschifffahrt unterscheidet. Das obwohl die österreichische Hochseeschifffahrt nicht unwesentlich seit Peter Baumgartner „Nasse Logistik“ Redaktion Logistik express 1921 an der Gesamtstrategie beteiligt ist und in Österreich auch weit über eine Mio. Fahrgäste mit Binnenschiffen transportiert werden. Von allen beobachteten Bereichen, schneidet jedenfalls „die Schifffahrt“ in der FBA-Studie mit Abstand am schlechtesten ab. Weil bekanntlich das schlechteste Glied in der (Anker)Kette maßgeblich für deren Qualität ist, erscheint ein genaueres Hinschauen auf das FBA-Gesamtergebnis-Schifffahrt sinnvoll. Die Binnenschifffahrt, das schwächste Glied in der Infrastrukturkette Da fällt zunächst auf, die FBA-Autoren legen ihren Fokus im Bereich der Schifffahrt auf die Qualität der „Schiffsinfrastruktur“, wobei dieser Begriff aber nicht näher erklärt wird. In der Folge wird jedoch klar, dass die Häfen als Schiffsinfrastruktur gemeint sind. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn Österreich hat zum Beispiel für die Binnenschifffahrt das modernste Kommunikationssystem (als erstes Land in Europa) eingeführt und traditionell die besten Navigationshilfen. Future Business Austria verwendet die Ergebnisse des WEF-Global Competitiveness Report 2010/2011, wo Österreich aber gar nicht so schlecht, den 18. Platz in der Weltrangliste und immerhin den 8. Platz unter den EU-27 einnimmt - noch vor Belgien und Luxemburg. Insgesamt liegt Österreich in der Infrastruktur mit einem Score von 6,4 an 6. Stelle nur knapp hinter dem 1. Platz (CH – 6,8), noch vor Deutschland (6,3) und weit vor allen anderen Donauanrainerstaaten. Nur im Bereich der Hafeninfrastruktur liegt Österreich vermeintlich abgeschlagen an 48. Stelle. Aber ebenfalls (mit Ausnahme Deutschland) weit vor allen anderen Donaustaaten (HU 77., SL 78., HR 79., BG 87., UK 94., RU 122., MO 124., SRB 129). Die Binnenschifffahrt in Europa besteht hauptsächlich aus den Mitgliedsländern der Rheinzentralkommission und der Donaukommission. Österreichs Binnenschifffahrt hat innerhalb dieser Länder für den wichtigen Hinterlandverkehr eine maßgebliche Schlüsselrolle inne. Die Qualität der österreichischen Wasserstraße ist schon jetzt vorbildlich Future Business Austria verlangt die Erarbeitung einer österreichischen Infrastruktur- Gesamtstrategie und hat für den Bereich der Schifffahrt folgende prioritäre Hausaufgaben an die Bundesregierung adressiert: die Potentiale der Donau sind besser zu nutzen und die vernachlässigte Wasserstraße gezielt auszubauen. Dabei wird übersehen, dass die Bundesregierung selber seit der Privatisierung der Binnenschifffahrt ja keine Schiffe auf die Reise schicken kann und die kritisierende Wirtschaft die üppig vorhandene Infrastruktur schon selber in Anspruch nehmen wird müssen. Nämlich eine „nasse Infrastruktur“, die im Qualitätsvergleich mit allen anderen Donauländern – siehe oben - mit Abstand an vorderster Stelle rangiert. Wo die Infrastrukturpolitik noch eingreifen kann und soll, ist die Industrieansiedlungspolitik. Damit es nicht wieder zu Betriebsansiedlungsprojekten nahe der Wasserstraße kommt, die das Binnenschiff als Transportmittel von vornherein ausschließt. Weiters wird im Report verlangt, bestehende Engpässe zu beseitigen, die Wasserstraße zu erhalten und zu verwalten, das Schleusenmanagement zu verbessern und sich aktiv an der Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse auf der gesamten Donau zu beteiligen. Abgesehen davon, dass der FBA-Report selber nur im Containerverkehr Erweiterungspotential für die Wasserstraße ortet (womit die bestehenden Engpässe bereits vernachlässigbar wären), wird bei diesen Forderungen nicht berücksichtigt, dass sich Österreich eine Wasserstraßenverwaltung „leistet“, die es sonst in dieser Qualität nirgends entlang der Donau außer in Deutschland - gibt und dass eben diese Wasserstraßenverwaltung bereits viel- FOTO: ISTOCKPHOTO.COM 40 LOGISTIK express 2|2011 www.logistik-express.com

Schifffahrt / TRANSPORT fach internationale Entwicklungshilfe leistet. Was das Schleusenmanagement anbelangt: was vom FBA-Report als verbesserungswürdig erachtet wird, ist grundsätzlich einmal eine Aufgabe, die von einem privatwirtschaftlich geführten Unternehmen zu bewerkstelligen ist. Es ist kaum vorstellbar, dass sich ein politischer Infrastrukturplan bei privaten Unternehmen mehr als einen guten Willen erwarten darf. Schon technisch schwer vorstellbar ist die FBA-Forderung, man sollte das Schleusenwasser im Winter beheizen, um Revisionsarbeiten durchführen zu können (eine Schleusenkammer ist 240 Meter lang, 24 Meter breit und zumindest 10 Meter hoch!). Dazu muss man wissen, dass eine Schleusenkammer im Falle einer Revision, wenn die Arbeiten im Unterwasserbereich notwendig sein sollten, im Regelfall natürlich trocken gelegt wird. Die schnellste, einfachste und billigste Lösung. Die österreichischen Donauhäfen – zentrale Drehscheibe für die internationale Logistik Schwer nachvollziehbar ist die FBA-Forderung nach ausreichend „Logistikhäfen“, um – wie sie meinen - die Chancen der Wasserstraße optimal nutzen zu können. Österreich unterhält auf der nur 350 km langen nationalen Wasserstraße vier zentrale Häfen an allen maßgeblichen Verkehrsknotenpunkten ohne Berücksichtigung des mengenmäßig wichtigsten Werkshafen der voestalpine und einiger zusätzlicher Umschlagsanlagen. Diese Häfen, die schon jetzt teilweise in scharfer Konkurrenz zueinander stehen, würden sich wahrscheinlich schön bedanken, wenn in ihrer unmittelbaren Nähe weitere Häfen entstehen. Außerdem, aus der Sicht der Binnenschifffahrt wird ein Hafen immer noch von der verfügbaren Wasserfläche bzw. Umschlagsanlage bestimmt, auch wenn es neudeutsch Logistikhafen heißt und nicht nur in Österreich (hier bei zwei Häfen) eher die Tendenz besteht, die Wasserfläche zu „verlanden“ um zusätzlich Platz für den Landverkehr zu gewinnen, oder gar um dem Trend „Wohnen am Wasser“ zu folgen. Bei den besonderen Wünschen der befragten 240 Manager fällt auf, dass die bessere Anbindung „der Schifffahrt“ an Schiene und Straße gefordert wird. Hier sind wohl wieder die Häfen gemeint, denn Binnenschiffe können grundsätzlich auch außerhalb von festen Hafenanlagen be- und entladen werden. Dazu braucht es kaum mehr als einen Mobilkran und eine befestigte Straße. Die wichtigen Hafenanlagen verfügen aber ohnehin alle uneingeschränkt über einen direkten Bahnanschluss zum internationalen Netz und eine hervorragende Anbindung zum Autobahnnetz. So hat zum Beispiel der Hafen Enns einen direkten Anschluss zur A1, zur Westbahn und zum Flughafen Linz mit einem dichten Liniennetz zu den Nordseehäfen, nach Budapest und mehrmals täglich zum Kombibahnhof St. Michael. Insgesamt rollen ca. 60 Züge/Woche durch den Hafen Enns. Dass die befragten Manager laut FBA-Report mit der Binnenschifffahrt wenig am Hut haben, zeigen ihre eigenen Einschätzungen. Die (Binnen)Schifffahrt ist nämlich nur für 13 Prozent der abgefragten Geschäftsbereiche relevant. Deshalb konnte auch nur etwa ein Drittel der Befragten eine qualitative Beurteilung abgeben. Hier dürfte wohl noch viel Aufklärungsarbeit notwendig sein. Dies kommt auch in einer VSL/IML-Studie deutlich zum Ausdruck. Demnach besteht ein zentrales Hemmnis in der Güterverkehrsverlagerung, weil bei den Verladern und LDL ein geringer Kenntnisstand über den Binnenschiffsverkehr besteht. Dieser negativen Entwicklung arbeiten zum Beispiel die Niederländer schon lange erfolgreich entgegen. Sie haben gerade ein neues „Schifffahrt & Transport College“ im Hafen Rotterdam gebaut, wo die Studenten einen starken praktischen Zugang zu allen Transportbereichen nutzen können. Gleiches ist im Hafen Enns auf dem besten Weg zur Realisierung. Zu den wichtigsten Schifffahrts- FBA-Forderungen zählt eine „verstärkte Kooperation mit Nachbarländern“. Was immer damit gemeint ist. Wenn mit dieser Forderung wieder die Häfen gemeint sind, dann muss man wissen, dass gerade die wichtigen Häfen in Österreich – wie Wien, Krems oder Enns – selbstverständlich bestens mit anderen europäischen Häfen vernetzt sind und Krems mit der Rhenus-Partnerschaft sogar weltweit über ein hervorragendes Logistiknetzwerk verfügt. Was die Binnenschifffahrt selber betrifft, so ist gerade Österreich ein Paradebeispiel an internationaler Vernetzung. Alle wichtigen Reedereien in Österreich sind internationale Unternehmungen und/oder haben europäische Partner in vielen Ländern. Gänzlich unverständlich ist die in der FBA-Regierungsagenda enthaltene Forderung nach einer durchgängigen „Wassertiefe“ von 2,50 Meter für die Schifffahrt. Hier werden zentrale Begriffserklärungen wie zum Beispiel Abladetiefe und Fahrwassertiefe nicht beachtet. Damit reduziert sich der „Tiefgang“ des FBA-Reports selber merklich. (PB) www.logistik-express.com LOGISTIK express 2|2011 41

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