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LE-2-2011

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LOGISTIK express ZEITSCHRIFT EPAPER

INFRASTRUKTUR Müssen

INFRASTRUKTUR Müssen harten Sanierungskurs steuern Den ÖBB geht es wirtschaftlich gar nicht rosig. Der Güterverkehr steht schlecht da, im Personenverkehr steht die Konkurrenz vor der Tür. ÖBB-Holding-Chef Christian Kern muss an zahlreichen Stellen im ÖBB-Konzern Feuer löschen. Redaktion: Markus Trostmann Herr Kern, Sie sind im Juni des Vorjahres angetreten, die Österreichischen Bundesbahnen zu sanieren und wieder auf einen wirtschaftlichen Kurs zu bringen. Was haben Sie zu tun? Den ÖBB geht es derzeit wirtschaftlich schlecht. Wir müssen die Zukunft des Unternehmens absichern und das geht nicht ohne einschneidende Rationalisierungen, Kosteneinsparungen und Preiserhöhungen. Von den gewohnten Dingen in der Vergangenheit müssen wir Abschied nehmen und uns auf neue Zeiten einstellen. Das ist zugegeben ein Veränderungsprozess, der Wellen schlägt bei uns im Haus und bei den Kunden und nicht zuletzt in der Politik. Aber: Wir müssen den Blutverlust stoppen. Was die Bahn braucht, ist eine langfristige Perspektive. Und die Aussichten dafür sind durchaus gut. Unsere Aufgabe ist, in drei bis fünf Jahren wirtschaftlich gut dazustehen. Die ÖBB haben eine Phase der extremen Unruhe hinter sich. Man denke nur an die in der Vergangenheit gemachten Finanzgeschäfte, den Kauf der ungarischen MAV-Cargo und die Immobiliendeals. In der Vergangenheit wurde verabsäumt, die Hausaufgaben zu machen, daher müssen wir jetzt die tiefgreifende Prozedur durchführen. Bis 2013 wollen wir den Bahn-Konzern in die Richtung bringen, dass er zumindest eine schwarze Null schreibt. Das ist alles andere als eine Kleinigkeit. Die ÖBB werden derzeit beispielsweise von der Zinskurve getroffen. Die steigenden Zinsen werden das Unternehmen allein 2013 zusätzlich 30 Mio. Euro kosten, dieses Geld muss anderweitig eingespart werden. Rail Cargo Austria ist die größte Sanierungsbaustelle im ÖBB-Konzern. Die Performance in der Vergangenheit sei besser dargestellt worden, als sie in Wirklichkeit war, verlautete aus Ihrem Haus. Was ist da schiefgelaufen? Der Zustand der Rail Cargo Austria ist in der Vergangenheit tatsächlich oftmals schöner dargestellt worden, als er in Wirklichkeit war. Wir sind hier mit einem Minus von 350 Mio. Euro konfrontiert. Die Bahn hat in der Vergangenheit eine Milliarde Euro Eigenkapital verloren – infolge der nicht gerade positiv verlaufenden Spekulationsgeschäfte, aber auch im operativen Geschäft. Dabei haben die ÖBB gute Chancen, zu einem europäischen Player im Cargo-Geschäft zu werden. RCA war und ist in Österreich ein Standortinstrument. Doch wir können es uns nicht leisten, Verkehre zu fahren, bei denen mitunter gerade einmal ein Kostendeckungsgrad von 50 Prozent FOTO: ÖBB 10 LOGISTIK express 2|2011 www.logistik-express.com

INFRASTRUKTUR erreicht wird. Jetzt machen wir klar, dass wir ein Wirtschaftsunternehmen sind und uns ausschließlich Betriebswirtschaft interessiert. Wir müssen auf uns selber schauen und können nicht verschiedene Industriezweige subventionieren. Das kann man nur dann tun, wenn man starke Schultern hat, auf die man drei Rucksäcke mehr hängen kann. Dazu ist Rail Cargo Austria derzeit nicht in der Lage. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um bei der RCA Kosten einzusparen? Die RCA verfügt über 108 Beteiligungen. Hier müssen wir zurückstutzen. Die Struktur ist unheimlich komplex und hat zu einem ungeheuren Beschäftigungszirkus geführt. Die Marschrichtung ist daher: einfachere Strukturen, Reduktion der Beteiligungen und Manager, neue Produkte und Schließung von Standorten. Jedes Geschäft wird auf den Prüfstand gestellt. Was die RCA braucht, ist werthaltiges Geschäft. Im Holzbereich wird gerade ein neues Produktionskonzept entwickelt. Die Sparte ist ein Sanierungsfall, und die Notbremsung besteht darin, Verladestellen zu schließen und die Preise auf eine für die Bahn betriebswirtschaftliche rentable Höhe zu bringen. Den Kritikern an den Preiserhöhungen und den gesetzten Maßnahmen müssen wir mitteilen, dass wir diese nicht zurücknehmen können und werden. In den zahlreichen Gesprächen mit Top-Managern auf Seiten der Verlader habe ich Verständnis für unsere Sanierungsmaßnahmen bekommen. Das durch das Zusperren einzelner Verladestellen möglicherweise verloren gehende Substrat für die Hauptstrecken ist leichter zu verkraften als die Aufrechterhaltung der Verladestelle mit den damit verbundenen operativen Kosten. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die ÖBB nicht Schlagzeilen machen. Müssen Sie nicht einen Imageverlust befürchten und ein Abwenden der Kunden? Natürlich erregen unsere Maßnahmen Aufsehen, doch ich kann sagen, dass wir bis jetzt alle unsere großen Kunden behalten haben. Die Marktanteilsverluste sind nicht so stark ausgefallen, wie wir ursprünglich erwartet hatten. Die Kunden im In- und Ausland halten der Bahn die Stange, und das macht uns stolz. Woraus resultiert bei der Rail Cargo Austria das Minus von 350 Mio. Euro? Gibt es überhaupt Sparten, in denen die Güterbahn noch Geld verdient? Die 353 Mio. Euro Minus bei der RCA resultieren primär aus Sondereffekten wie Abschreibungen in den Bereichen Intermodal und einigen Schwerpunktsparten wie Holz oder Papier. Positive Zahlen schreiben Teile des Wagenladungsverkehrs, die Rollende Landstraße, der Gefahrgutbereich und Teile des bahneigenen Speditionsgeschäfts. 2010 hat Rail Cargo Austria unterm Strich einen operativen Verlust von 120 Mio. Euro eingefahren. Es wird immer von der Verlagerung von der Straße auf die Schiene geredet, gleichzeitig aber verlagert RCA Teile des Transports zurück auf die Straße. Das ist doch ein Widerspruch? Das mag auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aussehen. Ist es aber nicht. Ich sehe hier zwei verschiedene Logiken. Der Ausbau der Schieneninfrastruktur ist eine Aufgabe und Verpflichtung, um den Wirtschaftsstandort Österreich abzusichern. Auf den Gleisen fahren nicht nur die ÖBB, sondern auch andere Akteure. Über den Brenner beispielsweise nutzen 50 Prozent der Trassenkapazität die ÖBB; die restlichen 50 Prozent entfallen auf private und ausländische Traktionsunternehmen. Bei den Investitionen im Personen- und Güterverkehr der ÖBB steht hingegen die Betriebswirtschaftlichkeit im Vordergrund. Hier müssen wir uns selbst erhalten und bekommen Bestellungen vom Bund oder anderen Kunden. Wir müssen ein Geschäftsmodell aufbauen, das selbsttragend ist und daher der betriebswirtschaftlichen Logik folgt. Investments werden von Geschäftschancen bestimmt, sonst wird das Geld verbrannt. Wenn Rail Cargo Austria Teile des bisherigen Schienenverkehrs auf die Straße verlagert, ist das aus dem Gebot der Notwendigkeit und keine Strategie. Diese unterschiedlichen Logiken werden in der Öffentlichkeit oft nicht richtig erkannt, weil die ÖBB und Bahnausbau meist in einem System gesehen werden. (MT) GASTKOMMENTAR DAS KERN-PROBLEM Die größte B a u s t e l l e der ÖBB ist derzeit nicht der neue Wiener Hauptbahnhof, sondern zweifelsfrei die Rail Cargo Austria. Die international agierende 100prozentige Dr. Peter Muzik Güterverkehrstochter, die täglich 183.000 Tonnen befördert, taumelt nach einem Verlust von 353 Millionen Euro im vergangenen Jahr schwer angeschlagen in den Seilen. ÖBB-Boss Christian Kern und die neuen RCA-Vorstände Andreas Fuchs und Erik Regter müssen das Kunststück versuchen, das Unternehmen vor einem Crash zu retten. Die empfindlichen Preiserhöhungen in jüngster Zeit, die - wie man hört - teilweise wieder zurück genommen werden, sind die logische Folge dubioser Macheloikes, für die frühere Bahn-Manager gerade stehen müssen. Das Unternehmen ist aber nicht nur finanziell groggy, sondern auch imagemäßig unten durch - bei vielen seiner Kunden ebenso wie in der Logistikbranche, die ihm so manches übel nimmt. Etwa das Faktum, dass die Bahn mit einigen Speditionsfirmen mehr als Rivale denn als Partner auftritt. Trotzdem ist sonnenklar, dass die Stärken der Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasser nur dann optimal aufeinander abgestimmt werden können, wenn ein Key-Player nicht ums Überleben ringen muss. Die Troubles, mit denen es Christian Kern zu tun hat, sind also auch ein Kern-Problem all jener, die sich eine tatsächlich funktionierende Intermodalität wünschen. In diesem Sinne: Hoffen wir auf ein Happy End ... Autor: Peter Muzik ist langjähriger Wirtschaftspublizist („Wiener Zeitung“, früher „WirtschaftsBlatt“ und „trend“) sowie Inhaber der auf Evaluation von PR-Aktivitäten spezialisierten Consultingfirma Public & Media. www.logistik-express.com LOGISTIK express 2|2011 11

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