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LE-2-2009

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LOGISTIK express ZEITSCHRIFT EPAPER

AKTUELL Klimaschutz ist

AKTUELL Klimaschutz ist ein dringendes Anliegen, dessen Aktualität außer Frage steht. Egal ob von Seiten der Politik oder der breiten öffentlichen Meinung, ein Sündenbock für CO2-Belastung ist schnell gefunden: der Straßengüterverkehr. Jeder Private, der schon einmal auf der Autobahn hinter einem LKW hinterhertuckern musste, unterstützt natürlich die verschärften Auflagen und Verteuerungen für Transporteure, Hauptsache, er selbst muss sich nicht beschränken – und so wird eine Branche, ohne die jegliche Nahversorgung unmöglich wäre, offen geprügelt. Doch die Gleichung „Tempo 60 statt 80 = weniger Emissionen = Entlastung für das Klima“ geht nicht auf. Interview mit werner tober vom Institut der Technischen Universität Wien Sinn und Unsinn von Tempo 60 für LKW Kaum ein Thema wird in Österreich so kontrovers diskutiert wie Geschwindigkeitsbegrenzungen. Das häufigst genannte Argument für Tempo 60 ist der ökologische Aspekt in Form von weniger CO2-Emissionen. Doch stimmt das wirklich? Logistik Express im Gespräch mit Experten. Die Drehzahl entscheidet „Generell gilt der physikalische Zusammenhang - je mehr Widerstand überwunden werden muss, desto mehr Energie muss aufgewendet werden - also desto höher ist der Verbrauch“, bringt es Dipl. Ing. Werner K. Tober vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrzeugtechnikbau der Technischen Universität Wien auf einen Nenner. Für die Sinnhaftigkeit der Geschwindigkeitsreduktion bringt er ein plakatives Beispiel: „Wenn ein Kraftfahrzeug nicht im 4. Gang bei einer Drehzahl von 4.000 Umdrehungen pro Minute, sondern im 5. Gang bei nur 3.000 Umdrehungen pro Minute betrieben wird, ist bei gleichbleibendem Tempo von einem geringeren Kraftstoffverbrauch auszugehen, da eine Verbesserung des Wirkungsgrades zu erwarten ist. Wird dieser Vorteil nun dazu genützt, um im 5. Gang schneller zu fahren, ist der Kraftstoffverbrauch möglicherweise auf gleichem Niveau als zuvor im 4. Gang bei geringerer Geschwindigkeit. Da der Kraftstoffverbrauch und der CO2-Ausstoß in direktem Zusammenhang stehen, ist die Schlussfolgerung naheliegend: Wenn ein LKW-Fahrer für die Fahrt mit 60 km/h (anstatt mit 80 km/h) einen Gang herunterschaltet und sich dadurch die Drehzahl erhöht, ist von einer negativen Beeinflussung des Wirkungsgrades auszugehen, was unter realen Betriebsbedingungen zu keiner Verbesserung des Verbrauches, im schlimmsten Fall zu einer Erhöhung des Verbrauchs führt.“ Dem kann Dr. Christine Zach, Geschäftsführerin der ÖAMTC AKADEMIE, nur uneingeschränkt zustimmen: „Im höchsten Gang bei bester Drehzahl zu fahren, stellt mit Sicherheit das Optimum dar und ist am umweltschonendsten. Besonders umweltschädlich hingegen sind ständige Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, weshalb vor allem das flüssige Fahren erstrebenswert ist.“ Dies würde für eine niedrigere, konstante Geschwindigkeit und eine Reduktion langsamer Überholmanöver sprechen, die zudem auch ein Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer bergen würden. FOTO: MAN.AT 6 LOGISTIK express 2|2009 www.logistik-express.at

AKTUELL Interview mit franz Weinberger Marketingleiter, MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG Auf 80 optimiert „Seit es die Regelung mit der 60 km/h-Begrenzung gibt, kämpfen wir dagegen an“, sagt Mag. Franz Weinberger, Marketingleiter der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG. „Moderne LKW sind für den Autobahnbetrieb optimiert, und der Idealpunkt mit minimalem Verbrauch liegt zwischen 80 und 90 km/h“, versteht er die Argumentation nicht. „Besonders schädlich sind streckenweise Beschränkungen, da durch das Bremsen und Beschleunigen wesentlich mehr Kraftstoff verbrannt wird, was natürlich mehr Abgase bedeutet. Am ökonomischsten und gleichzeitig ökologischsten ist eine gleichbleibende Geschwindigkeit“, erklärt er und weist auf einen anderen interessanten Punkt hin: „Der ursprüngliche Zweck der Geschwindigkeitsbegrenzung für LKW war die Lärmreduktion, aber erwiesenermaßen dominiert ab etwa 40 km/h das Reifengeräusch, der Motor ist dann nicht mehr hörbar. Und ein PKW mit 130 km/h ist deutlich lauter als ein LKW mit 80 km/h, nur leider ist die LKW-Lobby im Vergleich zu der des PKW nicht stark genug,“ ärgert sich Weinberger. Auch Tober befürwortet Maßnahmen zugunsten des Fließverkehrs: „Fakt ist, dass Verbesserungen der Fahrsituation deutlich größere Potentiale in der CO2 Reduktion aufweisen als Geschwindigkeitsreduktionen.“ Interview mit FRANZ Wolfsgruber Stv. Spartenobmann der Wirtschaftskammer Österreich Lenkzeitproblematik „Für die Fahrer und die Unternehmer würde ein generelles Tempo-60-Limit für LKW eine Katastrophe bedeuten“, zeigt sich Franz Wolfsgruber, Stv. Fachverbandsobmann des FV Güterbeförderung und Obmann-Stv. der Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband für das Güterbeförderungsgewerbe, besorgt. Der Grund liegt klar auf der Hand und lässt sich am besten mittels eines Beispiels demonstrieren: Die Distanz Wien – Salzburg beträgt etwa 300 km. Bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h ist die Strecke in 3:45 Stunden zu bewältigen, bei 60 km/h benötigt man 5 Stunden. Wolfsgruber: „Durch die neue Lenk- und Ruhezeitenregelung könnte ein Fahrer nicht einmal die Strecke Wien – Salzburg fahren, ohne eine Zwangspause einlegen zu müssen. Das ist weder wirtschaftlich noch sozial, wenn beispielsweise abends ein Fahrer wenige Kilometer von seinem Stützpunkt entfernt auf einem Rastplatz übernachten muss, statt nach Hause zu seiner Familie zu dürfen. Und das nur, wegen der 60er Beschränkung.“ Das sieht Weinberger ähnlich: „Wir vertreten zwei Gruppen, die Unternehmer und die Fahrer – und für beide ist diese Thematik eine Katastrophe und bringt volkswirtschaftlich gesehen nur Nachteile.“ Dabei meint Weinberger, die wirklichen Hintergründe genau zu kennen: „Die Politik möchte natürlich vermehrt Güter von der Straße auf die Schiene verlagern, was durchaus legitim scheint. Fakt ist aber, dass weder die Sammlung noch die Feinverteilung der Güter sich per Bahn bewerkstelligen lässt! Sinnvoll ist der Transport auf der Schiene im Fernverkehr, und da beträgt der Anteil der Bahntransporte am Gesamtgütervolumen bereits jetzt 60 Prozent, fraglich ist, ob es hier überhaupt Kapazitäten für zusätzliche Transporte gäbe. Der größte Anteil des LKW- Verkehrs hingegen ist der Verteilverkehr.“ Ein weiteres Risiko sieht Wolfsgruber bei Tempo 60: „Die Differenzgeschwindigkeit zu den anderen Fahrzeugen ist zu groß, das macht Überholmanöver für den nachfolgenden Verkehr noch viel gefährlicher.“ Ruf nach Modernisierung „Glücklicherweise befindet sich der Großteil der Fuhrparks bereits auf hohem Standard“, meint Zach im Hinblick auf die Kosteneffizienz, „trotzdem kann man nicht oft genug betonen, wie wichtig dieser Aspekt ist.“ Sie erhält bei dieser Aussage Unterstützung von Tober: „Eine Modernisierung der Flotte erreicht ein Vielfaches der positiven Umweltwirkung wie jegliche Verkehrsbeschränkung.“ Dank moderner Motoren, fortgeschrittener Technik und ausgeklügelter Filtersysteme emittieren neue LKW wesentlich weniger Schadstoffe als alte Modelle. „Die tatsächliche Reduktion der Belastung durch Geschwindigkeitsherabsetzungen lässt sich kaum nachweisen, da viele Umweltfaktoren das Messergebnis beeinflussen. Zahlreiche in Europa durchgeführte begleitende Messkampagnen bestätigen dies und lassen demnach an der Wirkung der Maßnahmen zweifeln. „Leider zwingt die wirtschaftliche Situation derzeit viele Fuhrparkbetreiber, Investitionen in fahrendes Material zu verschieben. Hier wäre eine Unterstützung von politischer Seite wünschenswert“, plädiert Zach. Obwohl aktuell weniger LKW-Transporte durchgeführt werden, erhofft sich Zach langfristig eine Änderung im Wahrnehmungsverhalten der Bevölkerung: „Der Verdrängungswettbewerb zwischen PKW und LKW auf der Straße hat aus wirtschaftlichen Gründen abgenommen. Trotzdem sollte langsam jeder verstehen, dass es ohne die Transporteure nicht geht. Denn wer, wenn nicht die LKW-Fahrer, bringt uns die Waren?“ Interview mit Christine zach Geschäftsführerin, ÖAMTC AKADEMIE Die Guten belohnen Aufgrund der Aussagen der Experten zu diesem Thema kam mir eine Idee, die möglicherweise beiden Seiten helfen könnte – den Transporteuren ebenso wie der Umwelt, und gleichzeitig den involvierten PolitikerInnen erlauben würde, ihr Gesicht zu wahren: Wie wäre es, wenn statt sektoraler Geschwindigkeitsvorgaben für alle die Regelungen vom Modell abhingen? Jeder Fahrzeugbauer kennt die Leistung und Messdaten der von ihm erzeugten LKW und weiß dementsprechend, bei welcher Geschwindigkeit der Motor die optimale und umweltschonendste Leistung erbringt. Bei der Neuzulassung könnten diese Daten erfasst und in ein System eingespeist werden, das mit der Mautabrechnung in Verbindung steht. Schadstoffarme, neue LKW, die auf 80 km/h optimiert sind, dürfen – bei entsprechender Fahrerschulung – österreichweit (Baustellenverkehr, wetterbedingte Geschwindigkeitsbeschränkungen und gefährliche Strecken natürlich ausgenommen) 80 km/h fahren und erhalten auch einen kleinen Umwelt-Bonus in Form geringerer Mautgebühren, wodurch sich die Investition schneller rechnet. Alle anderen müssen sich an die niedrigere Geschwindigkeit halten. Je nach CO2-Ausstoß pro bewegter Tonne könnte man die Tarife staffeln. Auch die Polizei wird in das System einbezogen, wodurch keine fälschlichen Strafmandate für Geschwindigkeitsübertretungen entstehen können. So steigt der Anreiz für die Investition in neue Technologien, die Fahrzeugkonstrukteure erhalten Auftrieb für Innovationen und der Umwelt ist auch geholfen. Na, wär das nichts? www.logistik-express.at LOGISTIK express 2|2009 7

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